Gruene Armee Fraktion
er sich zur vollen Größe auf, jeder Zentimeter ein Staatsmann, und eine Nahaufnahme zeigte, wie er sich mit den Fingern über die gegelten Haare strich, als hätte er das vor dem Spiegel geübt.
»Zweitens«, fuhr Bussung fort, »haben die jüngsten Anschläge offengelegt, dass wir gegen diese Eskalation unzureichend gerüstet sind. Jeder verantwortliche Politiker, meine Damen und Herren, muss sich heute die Frage stellen: Hätten wir die Grüne Armee Fraktion rechtzeitig stoppen können? Hätten wir den schrecklichen Tod vieler Menschen verhindern können, wenn unsere Sicherheitsbehörden effizientere Mittel besäßen? Sie wissen, wovon ich spreche: vom Umfeld der Roten Flora zum Beispiel. Brauchen wir nicht bessere Kontrollmöglichkeiten in gewissen Bevölkerungsgruppen? Erweiterte Befugnisse zur Rasterfahndung und Internetüberwachung? Ja, auch mehr Videokameras an den großen Straßen, Plätzen und Bahnstrecken, überall im öffentlichen Raum?«
Vereinzeltes Klatschen setzte ein, und der Staatssekretär hob seine Stimme.
»Ich weiß nur zu gut, dass es Vorbehalte gegen diese Instrumente gibt. Aber neue Bedrohungen, Kolleginnen und Kollegen, erfordern neue Instrumente. Wir müssen endlich eine moderne Abhörzentrale wie die amerikanische NSA schaffen. Wir müssen das BKA zu einem deutschen FBI ausbauen. Es ist höchste Zeit, das auszusprechen, was nicht jeder gern hört: Wir brauchen eine andere Sicherheitsarchitektur für Deutschland – ohne Tabus!«
Klatschen unterbrach ihn und schwoll zu einem allgemeinen Applaus an.
»Denn wer garantiert uns«, setzte er mit leiserer Stimme nach, »dass uns nicht noch weit größere Herausforderungen bevorstehen? Gestern hatten wir die RAF, heute haben wir die Öko-Verbrecher, und morgen bedrohen uns vielleicht Warlords und kriminelle Gruppen aus zusammengebrochenen Staaten, die in die Mitte Europas vorstoßen. Ich spreche von Szenarien, die sich die meisten Bürger draußen im Land noch gar nicht vorstellen können. Aber ich rede nicht von einer fernen Zukunft …«
Er hob bedeutungsvoll ein Blatt Papier.
»… und einige von Ihnen werden es schon erfahren haben: Vor etwa einer Stunde ist die Erklärung einer bisher unbekannten Gruppe eingegangen, die mit einer schwimmenden Bombe im Hamburger Hafen droht. Sie nennt sich ›Green Front International‹ und kündigt eine Explosion an, falls wir die inhaftierten Mitglieder der Grünen Armee Fraktion nicht in ein Land ihrer Wahl ausfliegen. Sie behauptet, dass ein Container mit Tonnen Ammoniumnitrat auf einem Frachter versteckt unterwegs in die Hansestadt ist.«
Es war totenstill in der Halle, als Bussung einem Assistenten ein Zeichen gab und Google Earth auf der Videowand erschien. Das Bild wurde herangezoomt, bis der Hamburger Hafen von oben zu sehen war.
»Natürlich können wir den Wahrheitsgehalt der Drohung bisher nicht verifizieren. Aber bei aller Skepsis: Wir haben Anlass, besorgt zu sein. Nach ersten Recherchen wissen wir, dass 1947 ein Frachter mit diesem Stoff im Hafen von Texas City explodiert ist. Es gab fünfhunderteinundachtzig Tote, über fünftausend Verletzte, die Explosion schleuderte mehr als sechstausend Tonnen Stahl mit Überschallgeschwindigkeit in die Luft. Und wir wissen auch …«, er zeigte mit einem Lichtmarker auf einen Punkt in der Hafen-City, »… dass das Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 in den nächsten Tagen hier am Cruise Center erwartet wird. Es soll von Tausenden von Schaulustigen empfangen werden. Und der Drohbrief enthält eine Frist von achtundvierzig Stunden.«
Ein Raunen ging durch die Reihen, bis Bussung mit einer Handbewegung Ruhe forderte.
»Kolleginnen und Kollegen, dies ist eine Bedrohung, die bisher in diesem Land undenkbar war. Wir dürfen nicht abwarten, bis fanatische Überzeugungstäter das Herz einer Nation treffen, wie es 2001 mit dem World Trade Center in New York passiert ist. Wir müssen uns dagegen mit allen Mitteln rüsten, auch wenn sie manchmal einschneidend und schmerzhaft sind. Wir brauchen einen wehrhaften Staat, und für manche Fälle – das sage ich ganz offen, besonders den Politikern hier im Saal und auch den Fernsehzuschauern draußen – benötigt die Regierung in Zukunft Sondervollmachten. Ja, zum Beispiel auch die Ermächtigung, die Bundeswehr im Inland einzusetzen und bestimmte Personen zu internieren, selbst wenn noch kein konkreter Verdacht gegen sie vorliegt. Wir müssen dem Terror endlich kompromisslos den Krieg
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