Gruene Armee Fraktion
»Hans Müller« und den Observationen im Schanzenviertel? Und vielleicht noch mehr?
Mondrian beobachtete, wie Claudia Böhme mit Bussung und dessen Tross das Tagungsgebäude am Alexanderplatz verließ, und wartete bis zum Nachmittag. Dann fuhr er nach Moabit zum Innenministerium und fragte am Empfang, ob sie im Haus sei. Er hatte Glück, nach einer kurzen Rückfrage wurde er zu ihrem Raum in der Pressestelle geführt. Sie schaute etwas unwirsch von einem großen Tisch mit halb leeren Kaffeetassen und Papierstapeln auf, als er nach einem Klopfen eintrat.
»Sorry, dass ich Sie überfalle«, sagte er mit einem verbindlichen Lächeln, »aber es wird eng für das Gespräch, das mir Herr Bussung zugesagt hat. Die Redaktion wartet auf Nachricht von mir.«
Kein Anzeichen, dass sie die Lüge durchschaute.
»Der Staatssekretär ist außer Haus«, erwiderte sie, »es wird dauern, bis er Zeit für ein Treffen hat. Möglicherweise erst in den nächsten Tagen.«
»Vielleicht könnten Sie mir dann schon ein paar Dokumente geben, damit ich mich besser vorbereiten kann.«
»Was meinen Sie? Welche Dokumente?«
Er schaute sie direkt an und sagte dann langsam: »Daten, wie sie gestern Abend schon das BKA hier im Haus kopiert hat. Zum Beispiel darüber, wie die angeblichen Mitglieder der GAF vom Verfassungsschutz observiert wurden. Geben Sie mir ein paar Unterlagen, damit ich mir ein eigenes Bild machen kann, was in Sachen Grüne Armee Fraktion wirklich gelaufen ist.«
»Soll das ein Witz sein?« Vor Empörung überschlug sich fast ihre Stimme. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.« Ihr Mund wurde schmaler, und winzige Schweißtropfen traten auf ihre Stirn.
Mondrian wandte sich langsam um und musterte ausgiebig die Kinderzeichnungen, die an die Wand gepinnt waren. Sonne, Mond und Sterne, in krakeligen Linien.
»Hübsch. Von Ihren Kleinen?«
»Was wollen Sie?« Ihre Stimme vibrierte noch immer, aber in die Wut mischte sich jetzt auch ein Anflug von Angst, während sie ihn unsicher ansah.
Er hasste diese Nummer. Aber er musste das jetzt probieren. Zu viel stand auf dem Spiel.
»Ich will Sie aus dieser Sache raushalten, Frau Böhme«, sagte er, während er weiter die Kinderzeichnungen betrachtete, »bloß erzählen Sie mir nicht, dass Sie nichts von dem mitbekommen haben, was hier läuft. Verfassungsschutzerkenntnisse aus Lauschangriffen. Ein verhafteter Marokkaner, der schnell außer Landes soll. Und das Geständnis eines drogensüchtigen Beschuldigten, der kurz danach zufällig verbrennt.«
Es drehte sich wieder zu ihr um und fixierte sie. »Wäre es nicht schade für Sie und Ihre Kinder, wenn Sie in diesem Zusammenhang im ›magazine‹ auftauchen? Wenn Sie in etwas hineingezogen werden, was Sie gar nicht zu verantworten haben?«
»Sie wollen mich also erpressen?«, stieß sie kaum hörbar hervor.
Aber Mondrian sah, dass sie mit sich rang.
»Ich will, dass Sie mir einen kleinen Gefallen tun.«
Sie schloss die Tür. »Was verlangen Sie von mir?«
Er hielt ihr einen Datenstick hin. »Kopien von Bussungs Rechner. Sie haben Zugang dazu. Gehen Sie in sein Büro, wenn er nicht da ist, und besorgen Sie mir ein paar Dokumente. Vor allem Mails.«
»Aussichtslos.« Claudia Böhme schüttelte heftig den Kopf. »So einfach ist das nicht, an seinen Computer im Büro ranzukommen. Außerdem ist der Rechner durch ein Passwort gesichert, und die Dateien sind verschlüsselt.«
»Schade. Wirklich.« Mondrian seufzte und blickte noch mal zu den Kinderbildern. »Fällt Ihnen gar nichts ein? Irgendetwas, das mir weiterhelfen könnte?«
Sie schluckte und schaute aus dem Fenster. »Und Sie halten mich aus allem raus?«
Er nickte.
Sie schien sich einen Ruck zu geben.
»Bussung hat unmittelbar nach dem Kongress telefoniert. Ich habe durch eine offene Tür aufgeschnappt, dass man sich unbedingt treffen müsse. Dann habe ich etwas von einer Operation und Fanal gehört.«
»Operation Fanal?«
»Ja, könnte sein. Aber glauben Sie mir, ich weiß nichts Näheres darüber. Ich weiß bloß, dass er nach Süddeutschland aufgebrochen ist.«
»Wohin?«
Sie hatte ihren Widerstand aufgegeben. »Zu einem Treffen in Berchtesgaden. Morgen Mittag, Hotel Interconti, Obersalzberg.«
Mondrian wandte sich zum Gehen. »Dieses Gespräch hat nie stattgefunden, Frau Böhme. Aber geben Sie mir sofort Bescheid, wenn Ihr Boss einen Termin für mich hat.«
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Montag, Nachmittag
Betreff: sondertreffen
Gesendet: 17.03 uhr
achtung, eilt.
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