Grüne Magie
Pilger starrten auf den Staub und bewegten sich unruhig. »Wie dem auch sei: Wir haben unser Ziel erreicht, und jeder von uns sollte Erleichterung empfinden. Die Reise war anstrengend und nicht ungefährlich. Neunundfünfzig Pilger verließen das Pholgustal. Bamish und Randol fielen in der Sagmasenke Schrecknern zum Opfer. An der Brücke über den Asc stieß Cugel zu uns. Doch auf dem Scamander verloren wir Lodermulch. Jetzt sind wir siebenundfünfzig Gefährten, eine Gruppe aus Freunden und Kameraden, und der Gedanke, daß wir nun auseinandergehen, betrübt mich sehr. Aber ich bin sicher, daß wir uns niemals vergessen werden!
In zwei Tagen beginnen die Weihe-Rituale. Es bleibt uns noch Zeit genug. Diejenigen von euch, die nicht ihr ganzes Geld beim Spiel verloren haben«, – bei diesen Worten warf Garstang Cugel einen scharfen Blick zu –, »können in komfortabel eingerichteten Herbergen wohnen. Die anderen müssen irgendwie zurechtkommen. Unsere Reise ist nun beendet. Von jetzt an besteht unsere Gruppe nicht mehr, und jeder geht seinen eigenen Weg. In zwei Tagen jedoch treffen wir uns alle am Schwarzen Obelisken wieder. Bis dahin – lebt wohl!«
Daraufhin gingen die Pilger auseinander. Einige wanderten am Ufer des Scamander entlang und hielten auf eine nahe Schenke zu, und andere wandten sich vom Fluß ab und schritten in die eigentliche Stadt.
Cugel trat auf Voynod zu. »Du weißt sicher, daß ich mich in diesem Land nicht auskenne. Kannst du mir eine Herberge empfehlen, die alle Bequemlichkeiten zu einem möglichst niedrigen Preis anzubieten hat?«
»Ja, das kann ich«, erwiderte Voynod. »Tatsächlich hatte ich gerade vor, eine solche Herberge aufzusuchen: das Gasthaus des Alten Dastrischen Reiches. Es wurde dort errichtet, wo sich einst ein prächtiger Palast befand. Wenn alles beim alten geblieben ist, gibt es dort für wenig Gold allen nur erdenklichen Luxus und die köstlichsten Speisen.«
Diese Aussicht entsprach genau den Vorstellungen Cugels. Zusammen mit Voynod ging er los, durch die Straßen der alten Stadt Erze Damath, vorbei an dicht nebeneinander stehenden Stuckhütten. Kurz darauf überquerten sie einen großen freien Platz, auf dem die Wege und Straßen ein sonderbares Muster bildeten, und im Anschluß daran passierten sie größere Villen, von denen einige nach wie vor bewohnt waren. Vor jenen Gebäuden gab es kein wucherndes Unkraut, sondern gepflegte Blumengärten. Das Volk von Erze Damath schien recht freundlich zu sein, doch die Menschen waren ein wenig dunkelhäutiger als die von Almery. Die Männer schienen schwarze Kleidung zu bevorzugen: enge Hosen und Westen mit schwarzen Troddeln. Die Frauen hingegen trugen bunte Kleidung in gelben, roten und orange-und magentafarbenen Tönen. An ihren Schuhen glänzten und funkelten limonengelbe und schwarze Metallschuppen. Blau und Grün waren selten und galten als Farben des Unheils. Bei Purpur handelte es sich um ein Symbol des Todes.
Die Frauen schmückten sich mit langen Federn, die sie sich ins Haar steckten, und die Männer offenbarten elegant aussehende schwarze Scheiben, die in der Mitte ein großes Loch aufwiesen, durch das die Schädeldecke ragte. Die Verwendung eines harzig riechenden Öls schien allgemein sehr beliebt zu sein, und alle Leute, denen Cugel begegnete, dufteten nach Aloe, Myrrhe oder Thymian. Die Bewohner Erze Damaths waren ganz offensichtlich nicht weniger kultiviert als die von Kauchique, und sie erweckten einen lebhafteren und umgänglicheren Eindruck als die apathischen Männer und Frauen von Azenomei.
Kurz darauf erreichten sie das Gasthaus des Alten Dastrischen Reiches, das nicht sehr weit vom Schwarzen Obelisken entfernt war. Enttäuscht mußten Cugel und Voynod feststellen, daß es in der Herberge keinen Platz mehr gab. Der Hausdiener weigerte sich, ihnen Eintritt zu gewähren. »Es halten sich viele fromme Leute in der Stadt auf, die alle an den Weihe-Riten teilnehmen wollen«, erklärte er. »Ihr könnt von Glück sagen, wenn ihr überhaupt noch irgendeine Unterkunft findet.«
Und damit hatte er recht: Cugel und Voynod wanderten von Schenke zu Schenke, doch überall wurden sie abgewiesen. Am westlichen Stadtrand schließlich, unweit der Silbernen Wüste, hatten sie Glück und betraten eine Taverne, die nicht gerade zur Luxusklasse zu gehören schien: das Gasthaus zur Grünen Lampe.
»Noch vor zehn Minuten hätte ich euch nicht unterbringen können«, sagte der Wirt. »Doch eben kamen die Diebesfänger
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