Grüne Magie
Krabben. Gestärkt setzten die drei Männer ihren Weg nach Süden fort, und immer wieder hielten sie dabei nach dem Tempel Ausschau. Inzwischen glaubte Cugel fast ebenfalls an die Existenz jener heiligen Stätte – so fest war die Überzeugung Garstangs und Subucules. Aber nach einigen Tagen war es der fromme Subucule, der zu verzweifeln begann und sich laut fragte, ob sie die Worte Gilfigs richtig interpretiert hatten. Er wagte es sogar, die Tugendhaftigkeit des Gottes zur Diskussion zu stellen. »Was hat diese beschwerliche Wallfahrt denn überhaupt für einen Sinn? Hegt Gilfig Zweifel an unserem Glauben? Wir haben ihn doch bewiesen, indem wir an den Weiheriten teilnahmen. Warum hat er uns in die Ferne geschickt?«
»Die Wege Gilfigs sind unerfindlich«, sagte Garstang. »Wir sind weit gereist. Wir müssen uns seinem Gebot fügen und den Tempel suchen!«
Subucule blieb jählings stehen und sah in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. »Ich mache euch folgenden Vorschlag: Laßt uns hier einen Altar aus Steinen errichten. Das soll unser Tempel sein. Wir beten und erfüllen damit unsere Pflicht Gilfig gegenüber, und anschließend können wir nach Norden zurückkehren, in das Dorf, in dem unsere Gefährten wohnen. Bestimmt finden wir dort die Packtiere wieder. Wir füllen die Taschen mit neuen Vorräten, reisen durch die Silberne Wüste zurück und treffen vielleicht wieder in Erze Damath ein.«
Garstang zögerte: »Vieles spricht für deinen Vorschlag. Und doch…«
»Ein Boot!« rief Cugel. Er deutete aufs Meer: Etwa eine halbe Meile vor der Küste war ein Fischerboot zu erkennen, und an seinem Mast hing ein quadratisches Segel. Es verschwand hinter einer Landzunge, die etwa eine Meile von den Pilgern entfernt sein mochte, und Cugel glaubte nun auch, ein Dorf auszumachen.
»Ausgezeichnet!« bemerkte Garstang. »Möglicherweise handelt es sich bei jenen Leuten um freundliche Gilfigiten, und in ihrem Dorf könnten wir endlich den Tempel finden! Laßt uns weitermarschieren!«
Subucule jedoch schien skeptisch zu sein. »Wäre es denn denkbar, daß selbst in diesem fernen Lande die heiligen Texte bekannt sind?«
»Das Kennwort heißt Vorsicht«, warf Cugel ein. »Wir müssen die Lage mit aller Wachsamkeit erkunden.« Er führte seine Gefährten durch einen Wald aus Tamarisken und Lärchen, und nach einer Weile erreichten sie eine Stelle, von der aus sie das Dorf beobachten konnten. Die Hütten bestanden aus schwarzem Stein, und sie dienten ziemlich wild aussehenden Leuten als Heimstatt. Die runden Gesichter waren lehmfarben, und das dichte schwarze Haar auf den Köpfen schien die Konsistenz von Stacheln zu haben. Auf den Schultern wuchsen epaulettenartige breite Büschel. Sowohl die männlichen als auch weiblichen Wesen waren mit langen Reißzähnen ausgestattet und verständigten sich mit knurrenden, grollenden Lauten. Cugel, Garstang und Subucule ließen äußerste Vorsicht walten, wichen zurück, versteckten sich im Wald und berieten sich flüsternd.
Garstang war entmutigt und hatte jede Hoffnung verloren. »Ich bin erschöpft – körperlich ebenso wie geistig und seelisch. Vielleicht ist es mir bestimmt, an diesem Ort zu sterben.«
Subucule blickte nach Norden. »Ich glaube, ich versuche es mit der Silbernen Wüste. Wenn alles gutgeht, schaffe ich es vielleicht zurück bis nach Erze Damath, vielleicht sogar bis ins Pholgustal.«
Garstang wandte sich an Cugel. »Vom Tempel Gilfigs ist weit und breit nichts zu sehen. Was hast du vor?«
Cugel deutete auf einen Kai, an dem mehrere Boote dümpelten. »Mein Ziel ist Almery, jenseits des Songanmeeres. Ich spiele mit dem Gedanken, mir ein Boot zu besorgen und nach Westen zu segeln.«
»Dann trennen sich hier unsere Wege«, meinte Subucule. »Garstang, begleitest du mich?«
Garstang schüttelte den Kopf. »Die Reise ist zu weit. Und den Marsch durch die Wüste würde ich gewiß nicht überleben. Ich überquere mit Cugel das Meer und bringe dem Volk Almerys die heilige Botschaft Gilfigs.«
»So lebt beide wohl!« sagte Subucule. Rasch wandte er sich ab, um den beiden Freunden nicht zu zeigen, wie sehr ihn der Abschied bewegte, und er wanderte nach Norden.
Cugel und Garstang sahen ihm nach, bis er in der Ferne außer Sicht geriet. Dann drehten sie sich um und beobachteten den Kai. Garstang wirkte sehr nachdenklich. »Die Boote scheinen zwar seetüchtig zu sein, aber das ›Besorgen‹ bedeutet wohl nichts anders als ›Stehlen‹. Und so etwas
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