Grüne Magie
»Ich bin ein alter Mann und habe nicht mehr genug Kraft. Nimm die Beine in die Hand. Bring dich in Sicherheit. Meine guten Wünsche begleiten dich.«
»Normalerweise würde ich deinen Rat sofort beherzigen«, gestand Cugel ein. »Doch jene Leute dort haben mich so zornig gemacht, daß ich geradezu übergeschnappt bin und nicht mehr in erster Linie an mein eigenes Wohl denke. Kriech also aus dem Netz, damit wir uns zusammen auf und davon machen können.« Erneut verbreitete er mit dem blauen Konzentrat Angst und Schrecken, und Garstang nutzte die Gelegenheit, um sich unter dem Netz hervorzuschieben. Anschließend flohen sie beide über den Strand.
Die Dorfbewohner bewaffneten sich mit Lanzen und folgten ihnen. Einer der Speere bohrte sich in den Rücken Garstangs und tötete ihn auf der Stelle. Cugel wirbelte um die eigene Achse und zielte mit dem Rohr, doch der Zauber jenes magischen Instruments hatte sich erschöpft: Nur dünner blauer Rauch stieg in die Höhe. Die aufgebrachten Anhänger Dangotts machten Anstalten, weitere Lanzen zu werfen. Cugel fluchte, wich zur Seite aus und duckte sich – und die Speere flogen über ihn hinweg und fielen in den Sand.
Cugel schüttelte noch einmal wütend die Faust, und dann eilte er davon und floh in den Wald.
Originaltitel: »The Pilgrims « Copyright © 1966 by Mercury Press, Inc . (in »The Magazine of Fantasy and Science Fiction«, Juni 1966 ) Deutsche Übersetzung von Andreas Brandhors t
Das Geheimnis
Sonnenstrahlen glänzten schräg durch winzige Ritzen und Fugen in der Wand der Hütte, und von der Lagune her erklang das Geschrei der im Wasser planschenden Kinder. Nach einer Weile schlug Rona ta Inga die Augen auf. Er hatte länger als üblich geschlafen; normalerweise war er um diese Zeit bereits auf den Beinen. Er streckte sich, faltete die Hände hinterm Kopf zusammen und starrte gedankenverloren an die Decke. Tatsächlich war er schon vor einiger Zeit erwacht, dann jedoch wieder eingedöst – was neuerdings immer häufiger geschah. Inga runzelte die Stirn und setzte sich ruckartig auf. Was bedeutete das? Handelte es sich um ein Zeichen? Vielleicht sollte er sich an Takti-Tai wenden… Aber die ganze Sache erschien ihm so lächerlich. Dafür, daß er länger geschlafen hatte, gab es doch ganz einfache Erklärungen: Es gefiel ihm, noch eine Zeitlang liegenzubleiben und zu träumen.
Auf der Matte neben ihm – dort, wo Mai-Mio gelegen hatte – sah er einige zerrissene Blüten. Inga griff nach ihnen und legte sie in das Fach, das seine wenigen Besitztümer enthielt. Ein bezauberndes Wesen, diese Mai-Mio. Sie lachte nicht mehr und nicht weniger als die anderen Mädchen. Ihre Augen wiesen keine Besonderheiten auf, ebensowenig ihr Mund. Doch ihr sonderbares und faszinierendes Gebaren machte sie zu einem einzigartigen Geschöpf – jener einen Mai-Mio im ganzen Universum. Inga hatte viele Mädchen kennengelernt. Jedes von ihnen unterschied sich von den anderen, doch Mai-Mio war erst kürzlich zur Frau geworden – selbst jetzt noch konnte man sie aus der Ferne mit einem Jungen verwechseln –, wohingegen Inga mindestens fünf oder sechs Sommer älter war. Er wußte es nicht ganz genau. Aber es spielte auch keine Rolle. Überhaupt keine, bekräftigte er in Gedanken. Dies war sein Dorf, seine Insel. Er wollte sie nicht verlassen. Niemals!
Die Kinder kehrten von der Lagune zurück und liefen über den Strand. Einige von ihnen stürmten in Ronas Hütte, schwangen sich an den Pfählen hin und her und lachten und sangen wortlos. Die Wände erzitterten, und der Lärm verärgerte ihn. Er stieß einen wütenden Schrei aus, woraufhin die Kinder sofort still wurden. Erschrocken und verwundert hielten sie inne, gingen fort und blickten dabei immer wieder zu ihm zurück.
Inga runzelte die Stirn. Zum zweitenmal an diesem Morgen entstand ein sonderbares Gefühl in ihm. Er mochte in einen wenig beneidenswerten Ruf geraten, wenn er auf diese Weise weitermachte. Was geschah nur mit ihm? Er unterschied sich doch nicht vom gestrigen Inga – abgesehen von der Tatsache, daß er um einen Tag gealtert war.
Er trat auf die Veranda vor seiner Hütte und streckte sich im Sonnenschein. Links und rechts standen vierzig bis fünfzig weitere Hütten, die der seinen ähnelten, und zwischen ihnen wuchsen Bäume. Weiter vorn glänzte das blaue Wasser der Lagune im hellen Licht der Sonne. Inga sprang zu Boden, wanderte in Richtung der Lagune, schwamm und tauchte einige Male so tief, daß er die
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