Grüne Magie
mich. Er ist jemand, der den Erfolg ebenso braucht wie die Luft zum atmen – ein Mann des Feuers. Und Sie stellen den Gegenpol dar, das Eis.«
»Eis kann Feuer löschen.«
»Doch des öfteren neigt Feuer dazu, Eis zu schmelzen.«
Hein Huss zuckte mit den Schultern. »Spielt keine Rolle. Ich werde langsam müde. Die Zeit hat uns allen übel mitgespielt. Gerade erst eben hat mir ein junger Novize gezeigt, worauf es uns ankommen sollte.«
»Sie sind ein mächtiger Mann, der Oberste Unglücksbringer in den Diensten Lord Faides, und Sie haben allen Grund, stolz zu sein.«
Hein Huss trank seinen Krug aus und stellte ihn beiseite. »Nein. Ich habe zwar den Karriereberg unserer Profession erklommen und nunmehr den Gipfel erreicht, doch jetzt gibt es keine weiteren Ziele mehr für mich. Nur der Novize Sam Salazar interessiert sich für eine Erweiterung unseres allgemeinen Wissens. Er wandte sich an mich, weil er einen Rat suchte, und ich mußte ihn enttäuschen.«
»Das sind gar seltsame und sonderbare Worte!« flüsterte Enterlin. Er trat an die Zugangsplane heran. »Ich gehe jetzt«, raunte er, »um im Hügelland zu wandern. Vielleicht offenbart sich mir die Zukunft.«
»Es gibt nicht nur eine Zukunft, sondern dergleichen viele.«
Enterlin huschte fort und wurde zu einem Schatten, der sich in der Dunkelheit verlor. Hein Huss stöhnte und ächzte, wankte auf seine Liege zu, streckte sich darauf aus und schlief sofort ein.
I I
Die Nacht verstrich. Die Sonne stieg über den Horizont, begleitet von grünen und purpurn leuchtenden Wolken. Vor dem lavendelfarbenen Himmel zeichnete sich die neue Pflanzung als eine dunkle Silhouette ab, eine dünne Stoppellinie aus jungen Bäumen. Mit flinkem Geschick brachen die Ritter und Soldaten das Lager ab. Lord Faide schritt auf seinen Wagen zu und stieg ein, und unter seinem Gewicht sackte das Gefährt ab. Er betätigte eine Taste, und die Maschine setzte sich in Bewegung, so schwerfällig wie ein mit Wasser vollgesogener Baumstamm.
Eine Meile vor der neuen Pflanzung hielt er an und schickte einen Kurier zu den Wagen der Unglücksbringer. Hein Huss wanderte unbeholfen los, gefolgt von Isak Comandore, Adam MacAdam und Enterlin. »Schicken Sie einen Botschafter zum Ersten Volk!« Faide wandte sich an Huss. »Teilen Sie ihm mit, daß wir den Wald passieren möchten und dabei nichts Böses im Schilde führen. Lassen Sie jedoch keinen Zweifel daran, daß wir im Falle von Feindseligkeiten mit aller Entschlossenheit reagieren werden.«
»Ich mache mich selbst auf den Weg«, erwiderte Hein Huss. Er sah Comandore an. »Geben Sie mir bitte Ihren vorwitzigen Novizen als Begleiter mit. Ich sorge dafür, daß er sich nützlich macht.«
»Wenn er eine verborgene Nesselfalle entdeckt, indem er hineinstolpert, hat er seine erste gute Tat vollbracht«, entgegnete Comandore. Er gab Sam Salazar ein Zeichen, und der junge Mann näherte sich ihm widerstrebend. »Geh vor dem Obersten Unglücksbringer Hein Huss und weise ihn rechtzeitig auf Fallen und Sturzgruben hin! Nimm einen Stock mit und untersuche damit das Moos!«
Ohne große Begeisterung lieh sich Sam Salazar von einem der Infanteristen eine Lanze aus. Dann brach er zusammen mit Hein Huss auf und wanderte über jene Anhöhe, die zuvor den Nördlichen vom Südlichen Dichtwald getrennt hatte. An einigen Stellen durchbrachen kleine Felsen die dicke Moosschicht. Hier und dort wuchsen Lorbeerbüsche, Teerpflanzen, Kamelheu, Ingwer und Rosenwurz.
Eine halbe Meile vor der Pflanzung blieb Huss stehen. »Von nun an gib acht, denn hier beginnen die Fallen. Meide kleine Erdbuckel, denn darin sind oftmals Schwingsensen versteckt. Weich den Stellen aus, an denen das Moos einen bläulichen Ton angenommen hat. Dort verwelkt es nämlich, und möglicherweise dient es dazu, Sturzgruben oder Nesselfallen zu bedecken.«
»Warum benutzen Sie nicht die Fähigkeit des Hellsehens, um die Fallen zu lokalisieren?« fragte Sam Salazar mit mürrisch und verdrießlich klingender Stimme. »Diese Gelegenheit scheint sich doch bestens für den Gebrauch solcher Fertigkeiten zu eignen.«
»Eine durchaus verständliche Frage«, erwiderte Hein Huss ruhig und gefaßt. »Doch du solltest wissen, daß ein Unglücksbringer nicht mehr auf seine Gefühle und Empfindungen vertrauen kann, wenn seine eigene Sicherheit unmittelbar bedroht wird. Vermutlich würde ich überall Fallen erkennen und nicht wissen, ob mir die Furcht einen Streich spielt oder sie tatsächlich existieren.
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