Grüne Magie
keine Hoffnung mehr für sie gab. Jenen tapferen Kriegern gab Lord Faide selbst den Gnadenstoß. Nach zehn weiteren Minuten gelang es ihnen, den Wagen Lord Faides aus dem Gewirr zu befreien – und die ganze Zeit über ruhten die ruhigen und gleichgültig wirkenden Blicke der im Wald stehenden Nichtmenschen auf ihnen. Die Ritter wollten zum zweitenmal angreifen, doch Lord Faide befahl den Rückzug. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie die Kolonne.
Dort angelangt ordnete der Lord einen Appell an. Die ursprüngliche Streitmacht hatte sich um mehr als ein Drittel reduziert. Verbittert schüttelte Faide den Kopf. Neue Wut keimte in ihm empor, als er daran dachte, welch einfachen Sieg der Gegner über ihn errungen hatte. Er wirbelte um die eigene Achse, begab sich ans Ende der Kolonne und trat an die Wagen der Magier heran. Die Unglücksbringer saßen an einem kleinen Feuer und tranken Tee. »Wer von euch ist bereit, das bleiche Gewürm des Waldes zu verhexen? Ich will, daß sie alle sterben. Sie sollen mit Blindheit geschlagen werden, Krämpfe bekommen, die sie innerlich zerreißen. Sie sollen bei lebendigem Leibe verfaulen, auf daß Maden ihr stinkendes Fleisch fressen. Beschwört die schlimmsten Qualen, die euch in den Sinn kommen!«
Schweigen schloß sich an diese Worte an. Und die Unglücksbringer nippten an ihrem Tee.
»Nun?« fragte Lord Faide. »Fällt euch keine Antwort ein? Habe ich mich etwa nicht klar genug ausgedrückt?«
Hein Huss räusperte sich und spuckte ins Feuer. »Es ist uns keineswegs entgangen, was Sie sich von uns erhoffen. Leider aber können wir das Erste Volk nicht behexen.«
»Und warum nicht?«
»Gewisse technische Gründe sprechen dagegen.«
Lord Faide wußte, daß es keinen Sinn hatte, diesem Argument zu widersprechen. »Sollen wir uns etwa geschlagen geben und den Wald umgehen, um nach Hause zurückzukehren? Wenn ihr das Erste Volk nicht behexen könnt, dann beschwört eure Dämonen! Ich selbst marschiere in den Wald, und mit meinem eigenen Schwert hacke ich uns den Weg frei!«
»Es steht mir nicht zu, Ihre Taktik zu kritisieren«, brummte Hein Huss.
»Heraus damit, sprechen Sie! Ich höre.«
»Man trug einen Vorschlag an mich heran, den ich jetzt weitergeben möchte. Er betrifft weder mich noch die anderen Unglücksbringer, denn es geht dabei um physikalische Prinzipien, wie sie von den Ahnen genutzt wurden, und die sind uns suspekt, wie allgemein bekannt sein dürfte.«
»Ich warte auf den Vorschlag«, sagte Lord Faide.
»Und ich werde ihn sofort erläutern. Wie Sie sich gewiß erinnern, hat einer meiner Novizen an den Kontrollen Ihres Wagens herumgespielt.«
»Ja, und dafür werde ich ihm noch das Fell über die Ohren ziehen, so wie er es verdient.«
»Durch irgendeinen Zufall gelang es ihm dabei, den Wagen in die Höhe steigen zu lassen. Der Vorschlag ist folgender:Beladen Sie das Fahrzeug mit so viel Öl, wie es aufnehmen kann. Anschließend lassen wir es aufsteigen und über die Pflanzung hinwegschweben. Zum geeigneten Zeitpunkt soll der an den Kontrollen sitzende Mann das Öl über den Bäumen ausschütten und unmittelbar darauf eine brennende Fackel werfen. Auf diese Weise wird der Wald Feuer fangen, was das Erste Volk zumindest in Schwierigkeiten bringen müßte. Im besten Fall kommen viele Autochthone ums Leben.«
Lord Faide klatschte in die Hände. »Ausgezeichnet! Rasch, ans Werk!« Er rief einige Soldaten herbei und gab ihnen Befehle. Vier Fässer Kochöl, drei Eimer Pech und sechs Korbflaschen mit Spiritus wurden in den Wagen des Lords gebracht. Der Motor heulte kreischend auf, und das Fahrzeug sank fast ganz bis zum Moos herab.
Traurig schüttelte Lord Faide den Kopf. »Alles andere als eine anständige Behandlung des Relikts – doch immerhin geschieht es zu einem guten Zweck. Und jetzt – wo steckt jener Novize? Er soll mir zeigen, welche Tasten und Schalter er betätigte.«
»Wie wäre es«, fragte Hein Huss, »wenn Sam Salazar den Wagen steuert?«
Lord Faide musterte kurz das rundliche und sanfte Gesicht des Novizen. »Wir brauchen jemand, der nicht nur mit dem Relikt umgehen kann, sondern auch weiß, worauf es sonst ankommt. Kann man ihm vertrauen?«
»Ich denke schon«, erwiderte Hein Huss. »Schließlich war es Sam Salazar, der den Plan entwickelte.«
»Nun gut. Steig ein, Novize! Behandle meinen Wagen mit Respekt! Der Wind weht von uns fort. Setz jenen Teil des Waldes dort in Brand, einen möglichst langen Streifen. Die Fackel. Wo ist die
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