Grüne Magie
und sang: »Kein Mann unter uns hätte gewagt, was dieser maskenlose Mann getan hat.«
Die Menge murmelte Zustimmung. Der Maskenmacher trat auf Thissell zu und strich untertänig seinen Doppel-Kamanthil. »Ich bitte Euch, Lord Heros, tretet in meinen Laden und vertauscht diesen schmutzigen Fetzen gegen eine Maske, die Euer würdig ist.«
Ein anderer Maskenmacher sang: »Ehe Ihr wählt, Lord Heros, seht Euch meine Kreationen an!«
Ein Mann in der Maske eines Himmelvogels trat ehrfürchtig an Thissell heran. »Ich habe soeben ein prunkvolles Hausboot fertiggestellt; siebzehn Jahre habe ich an ihm gearbeitet. Gewährt mir die Ehre, dieses herrliche Fahrzeug anzunehmen und zu benutzen; an Bord erwarten Euch geschickte Sklaven und zierliche Jungfrauen; es hat reichlich Wein geladen, und die Decks sind mit seidenen Teppichen belegt.«
»Danke«, sagte Thissell und schlug den Zachinko selbstbewußt an. »Ich nehme mit Vergnügen an. Aber zuerst eine Maske.«
Der Maskenmacher spielte einen fragenden Triller auf dem Gomapard. »Würde der Lord Heros einen Seedrachen-Eroberer als unter seiner Würde betrachten?«
»Keineswegs«, sagte Thissell. »Ich halte ihn für passend und befriedigend. Ich werde ihn mir ansehen.«
Originaltitel: »The Moon Moth « Copyright © 1961 by Galaxy Publishing Corporatio n (in »Galaxy«, August 1961 ) Deutsche Übersetzung von Heinz Nage l
Mitr
Die felsige Landzunge schützte sowohl die Bucht als auch den breiten leeren Strand vor dem Wind.
Spiegelglatt war das Wasser. Ein sanfter Wolkenschleier überzog den Himmel mit einem Hauch von Gräue, und es wehte kein Wind, nicht einmal eine leichte Brise. Die Bucht glänzte in einem matten Schimmer, so wie altes Zinn.
Dünen folgten auf den Strand, und sie grenzten an einen nahen Wald aus dunklen schwarzgrünen Zypressen. Die Pflanzen behaupteten sich dem Sand gegenüber, durchzogen ihn beharrlich mit dünnen Wurzeln.
Zwischen den Dünen erhoben sich Ruinen – gläserne Wände, von Sand und salzigem Wind getrübt. Und inmitten dieser kristallenen Mauern hatte ein menschliches Wesen Gras und weiches Malvenkraut für ein Lager zusammengetragen.
Es war eine Frau, und sie hieß Mitr. Zumindest wurde sie von den Käfern so genannt. Und aus irgendeinem Grund hatte sie den Namen angenommen.
Jener Name, die Unterlage aus Gras und ein braunes Tuch, von den Käfern gestohlen – mehr besaß sie nicht. Möglicherweise konnte man auch noch etwas anderes zu ihrer Habe zählen, nämlich den vermodernden Knochenhaufen, der rund hundert Meter entfernt im Wald lag. Die Gebeine interessierten sie sehr, und undeutlich erinnerte sie sich an einen Zusammenhang zwischen ihnen und ihr selbst. Während der alten Tage, als ihre Arme und Beine noch kurz und rund gewesen waren, hatte sie die von der Form her geradezugrotesk anmutende Ähnlichkeit kaum bemerkt. Inzwischen aber war sie größer geworden, und an den Gemeinsamkeiten konnte kein Zweifel mehr bestehen. Augenhöhlen dort, wo sich ihre Pupillen befanden, ein Mund an genau der richtigen Stelle, Zähne, Kiefer, Kopf, Schultern, Rippen, Beine, Füße. Dann und wann begab sie sich in den Wald, trat an die Knochen heran und betrachtete sie nachdenklich. In letzter Zeit allerdings machte sie sich nicht mehr regelmäßig auf den Weg.
Es war ein langweiliger Tag, grau in grau. Mitr fühlte eine gewisse Apathie und ein vages Unbehagen, und sie kam zu dem Schluß, daß sie Hunger hatte. Sie wanderte zwischen den Dünen umher, aß einige Grasknollen, fand aber keinen rechten Gefallen daran. Vielleicht war ihr Appetit nicht ganz so groß, wie sie eben noch angenommen hatte.
Daraufhin schlenderte sie über den Strand, blieb am Wasser stehen und blickte über die Bucht. Nach einer Weile kam leichter Wind auf, und die feuchte Brise zupfte an dem braunen Tuch und zerzauste ihr Haar. Vielleicht würde es bald zu regnen beginnen. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah besorgt zum Himmel empor. Sie konnte Regen nicht ausstehen: Er machte naß. Natürlich war es ihr jederzeit möglich, unter den großen Felsen der Landzunge Schutz zu suchen, aber… Nun, manchmal zog sie es vor, naß zu werden.
Sie setzte sich wieder in Bewegung, ging weiter über den Strand, fing ein kleines Schaltier und verspeiste es. Das salzige Fleisch schmeckte nicht sonderlich gut. Vielleicht hatte sie wirklich keinen Hunger. Sie griff nach einem Stock und kratzte damit eine gerade Linie in den feuchten Sand – erst fünfzehn, dann dreißig
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