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Grüne Magie

Grüne Magie

Titel: Grüne Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Wissen so rasch in sich auf, daß ihn seine Lehrer einige Male lobten – wenn auch mit offensichtlichem Widerstreben. Als er in den Grundlagen bewandert war, machte man ihn mit Kosmologie und Religion vertraut. »Wir leben im Schmalen Land«, erklärte der Pädagoge der Sturmgewalt. »Es erstreckt sich endlos! Wie können wir uns in diesem Punkt so sicher sein? Weil wir wissen, daß die gegensätzlichen Prinzipien von Sturm und Finsterer Kälte göttlich und daher ewig sind. Aus diesem Grund muß das Schmale Land, das Gebiet des Zusammenstoßes, unendlich und ohne Grenzen sein.«
    Ern wagte es, eine Frage zu stellen. »Was befindet sich hinter dem Sturmwall?«
    »Es gibt kein ›Dahinter‹. Das STURM-CHAOS ist und fordert die Finsternis mit seinen Blitzen heraus. Dabei handelt es sich um das maskuline Prinzip. Die FINSTER-KÄLTE, das weibliche Prinzip, ist ebenfalls. Sie nimmt die Herausforderung an und erstickt das Feuer der Blitze. Wir Zweier vereinen beide Eigenschaften in uns. Wir sind im Gleichgewicht und daher Geschöpfe von ganz besonderer Art.«
    Ern kam auf etwas zu sprechen, das ihn schon lange beschäftigte: »Legen die Zweier-Frauen keine Eier?«
    »Es gibt weder Zweier-Frauen noch Zweier-Männer! Wir haben unsere Existenz einem doppelten göttlichen Schöpfungsakt zu verdanken; wir entstehen, wenn zwei Eier in einem Einer-Nest gleichzeitig aufbrechen und sich dabei berühren. Aufgrund der Wechselfolge handelt es sich dabei immer um einen männlichen und einen weiblichen Brütling. Daraus ergibt sich ein duales Individuum, eine neutrale und in sich selbst ruhende Person, was an dem doppelten Schädelkamm zu erkennen ist. Einer-Männer und Einer-Frauen sind unvollständige Geschöpfe und unterliegen für immer dem Zwang, sich zu paaren. Nur die Verschmelzung führt zu wirklichen Zweiern.«
    Ern begriff, daß die Pädagogen nichts von neugierigen Fragen hielten, und aus diesem Grund schwieg er fortan, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Während der Unterweisungen war er noch größer geworden. Den Flaum der Reifenkämme konnte man nun nicht mehr übersehen, und außerdem hatten sich auch seine Geschlechtsorgane weiterentwickelt. Zum Glück konnte er das verbergen, mit Hilfe der Kappe und des Gewandes. In gewisser Weise unterschied er sich von den anderen Zweiern, und wenn die Pädagogen diesen Umstand entdeckten, mochten sie zumindest mit Verwirrung und Mißtrauen reagieren.
    Auch andere Dinge plagten Ern – in erster Linie die Empfindungen, die der Anblick der versklavten Einer-Mädchen in ihm erweckte. Solche Verhaltensweisen waren unehrenhaft und schändlich! Sie standen den Zweiern nicht zu! Die Pädagogen wären bestimmt entsetzt gewesen, hätten sie von diesen Gedankengängen Erns Kenntnis erhalten. Doch wenn er nicht zu den Zweiern gehörte – zu wem dann?
    Ern versuchte, mit seiner Verärgerung fertigzuwerden, indem er sich ganz auf das Studium konzentrierte. Er befaßte sich mit der Technologie der Zweier, die wie alle anderen Aspekte der Zweier-Gesellschaft mit formellen Dogmen erläutert wurde. Er erfuhr, wo man Erz finden konnte, wie man es schmolz und Eisen daraus gewann, wie man das Metall bearbeitete und härtete. Gelegentlich fragte sich Ern, auf welchen Ursprung jene Fähigkeiten zurückgingen: Immerhin stand der Empirismus als eine Denkweise im Gegensatz zur Dualen Tradition.
    Während eines Vortrages kam Ern unvorsichtigerweise auf dieses Thema zu sprechen. Beide Pädagogen waren anwesend. Der Pädagoge der Sturmgewalt erwiderte mit scharfer Stimme, alles Wissen sei eine Ableitung aus den beiden Grundlegenden Prinzipien.
    »Außerdem«, fügte der Pädagoge der Finsteren Kälte hinzu, »ist diese Frage bedeutungslos. Was ist, ist – und braucht deshalb nicht in Frage gestellt zu werden.«

»Und der Umstand«, fuhr der Pädagoge der Sturmgewalt fort, »daß du dich nach solchen Dingen erkundigst, deutet auf einen destabilen Geist hin, wie er für die Grotesken typisch ist. Wir Zweier haben jenes niedere Stadium hinter uns gelassen.«
    »Wer sind die ›Grotesken‹?« fragte Ern.
    Der Pädagoge der Finsteren Kälte sah ihn streng an. »Erneut neigt deine Denkweise zu ungeordneten Assoziationen und einer Herausforderung der Autorität!«
    »Mit allem Respekt, Pädagoge der Finsteren Kälte: Ich möchte doch nur erfahren, was ›falsch‹ ist, damit ich es besser vom ›Richtig‹ unterscheiden kann.«
    »Es genügt völlig, wenn du dich ganz auf das ›Richtige‹

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