Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)

über die Schultern.
     
    Tutti über Florian, alles über Florian , schreibt sie als Überschrift. Name: Florian Bellheim, Adresse: Blumenstrasse 11, Geburtstag: irgendwann im Sommer, Haare: blonde Locken, Augen: braun, Größe: ca. einen halben Kopf größer als ich, Geschwister: keine, Lieblingsgericht: ?, Lieblingsgetränk: Cola
     
    „Du musst unbedingt herausbekommen, was er für ein Sternzeichen ist. Dann kann man nachgucken, ob ihr überhaupt zusammen passt. Dafür gibt es nämlich Aszendenten oder so.“ Nina, die ihren Posten kurz verlassen hat, um ebenfalls einen Blick in Ninas Aufzeichnungen zu werfen, greift nach der BRAVO. Im Inhaltsverzeichnis sucht sie das Horoskop.
    Ich löse Nina ab und beschatte weiter den Hauseingang von Bellheims.
    „Ida du bist Jungfrau, oder?“ Nina setzt sich gewichtig auf den Schreibtisch, schlägt die Beine übereinander und liest laut vor „Liebe: Hier ist Geduld gefragt. Jemand, mit dem du nicht gerechnet hast, kreuzt deinen Weg. Achte auf seine Signale. Gesundheit: Zuviel Stress schadet der Gesundheit, schalte einen Gang runter. Schule/Job: Wenn du heute keine Vokabeln mehr lernst, wirst du in Englisch eine Fünf schreiben.“
    „Quatsch, das steht da nicht“, Ida reißt Nina die Zeitschrift aus der Hand.
    „War nur ein Joke, bis auf Schule/Job stimmt das Horoskop aber.“ Nina grinst.
    Ida liest weiter: „Und jetzt Paulas Horoskop. Waage: Liebe: Deine Ausdauer und deine Strategie machen sich bezahlt. Wenn du in der Liebe etwas wagst, wird dein Mut belohnt. Gesundheit: Halte dich warm, sonst droht eine Erkältung. Schule/Job: Deine Erfolgssträhne hält an. Mit Fleiß kannst du punkten.“
    „Ich glaube nicht, dass man das alles aus den Sternen lesen kann. Das ziehen die Leute von der Zeitung sich sicher selber aus der Nase“, mosere ich.
    „Aber es passt komischerweise. Du musst bei Tim was riskieren, vielleicht steht der auch auf dich und du vergeudest deine Zeit, indem du ihn immer nur vom Weiten wie ein scheues Reh anhimmelst. Es muss doch rauszukriegen sein, ob er noch mit dieser Lea zusammen ist oder nicht. Nina, du sitzt doch an der schwesterlichen Quelle.“
    „Wie soll ich das bitte schön machen? Ach du, Lilly, ganz nebenbei, hat dein Bruder noch die Freundin?“ Nina ist nicht begeistert. „Ich tauge für sowas nicht. Ich fange an zu stottern und dann denkt sie hinterher, ich will was von ihm.“
    „Hm“, Ida macht ein angestrengtes Gesicht und überlegt. „Dann musst du Tim endlich ansprechen“, schlägt sie mir vor.
    „Ganz toller Vorschlag! Ich klatsch mir gleich auf die Schenkel vor Lachen. Spinnst du? Ich bin doch schon genug blamiert.“ Nach meiner erneuten peinlichen Showeinlage bevorzuge ich im Moment die Plätze in den vorderen Reihen des Busses, die Nase alibimässig in ein Buch vertieft. Dabei wird mir immer schlecht, wenn ich im Bus oder im Auto lese. Es muss Gras über die Sache wachsen. Lea ist wie vom Erdboden verschwunden.
    „Aber riskieren musst du was, sonst sabberst du ihn noch ein Jahr an, ohne dass sich was tut“, gibt Nina ihr Recht und vertieft sich wieder in die BRAVO. „Nina, jetzt deins. Skorpion: Liebe: Du musst mehr aus dir rausgehen und deinem Liebsten zeigen, dass du ihn magst. Dann renkt sich alles ein. Gesundheit: Du strotzt vor Energie, gib anderen etwas von deinem Schwung ab. Schule/Job: Ein Lehrer erkennt endlich dein Talent.“
    „Das passt ja überhaupt nicht zu mir. Bist du sicher, dass du das richtige Sternzeichen vorgelesen hast?“
    Britta schneit mit einem Tablett Schokokeksen herein. Ausgehungert fallen wir über das Gebäck her.
    „Wie das hier wieder aussieht. Ida, du bringst nachher deine ganzen dreckigen Klamotten in den Waschkeller.“ Britta sammelt kopfschüttelnd Socken vom Boden auf, zieht die Jalousien hoch und öffnet das Fenster auf Kippposition. „Du musst Lüften.“ Dann deutet sie mit dem Finger nach draußen. „Da unten steht Florian. Wer ist denn das Mädchen, was er dabei hat?“
    Wir schmeißen alle drei gleichzeitig unsere Kekse zurück auf das Tablett und stürzen zum Fenster.
    „Das ist sie, das ist sie“, ruft Ida aufgeregt.
    „Pst, das Fenster ist auf, nicht dass er dich hört“, warne ich.
    „Los, alle Mann runter. Aber tut ganz unauffällig“, ordnet sie an.
    Britta schaut sprachlos zu, wie wir unsere Jacken schnappen und an ihr vorbei die Treppe runterfliegen. Völlig außer Atem passen wir Florian und sein Schneeweisschen gerade noch ab.
    „Hallo Flori!“