Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
rum, starre immer wieder auf die Uhr.
„Paula Schatz, du bist heute so ruhig. Gibt es etwas was du erzählen möchtest?“
Mein Vater legt viel Wert auf das sonntägliche Abendessen zu dritt. Es ist so ziemlich die einzige Mahlzeit in der Woche, die wir alle zusammen einnehmen. Papa nennt es unser „Familienmeeting“ und meint, einmal in der Woche müssten wir die wichtigsten Sachen „am runden Tisch“ besprechen. Pah, Meeting, runder Tisch, dabei ist unser Buchenholzesstisch rechteckig und wir befinden uns auch nicht in seinem spießigen Versicherungsbüro. Besprechen heißt hier ganz klar übersetzt „wir quetschen Paula aus“. Zumindest kommt es mir in letzter Zeit vor, als befände ich mich ständig in einem Verhör. Papa Staatsanwalt und Mama Richterin schauen mich erwartungsvoll an. Ich verweigere die Aussage, liebe Advokaten.
„Es ist nichts“, antworte ich patzig und stochere im Gurkensalat, bis mir plötzlich einfällt, dass ich für morgen noch dringend eine finanzielle Spritze brauche. Eine Gurkenscheibe in den Mund schiebend versuche ich meinem Gesicht einen freundlicheren Ausdruck zu geben. Mit lammfrommen Blick und Klimperwimpern setzte ich an. „Du Papa, kannst du mir einen Taschengeldvorschuss geben? Ich bin morgen nach der Schule mit ein paar Leuten verabredet.“
„Schon wieder? Also Paula wirklich, seit den Osterferien bist du ganz schön teuer geworden. Verprass doch nicht dein ganzes Geld in Halbstarken-Cafés und für Handykarten.“
Muss sich Moral-Richter-Mama wieder mal einmischen? Ich verdrehe die Augen. „Halbstarken Café, sowas bescheuertes. Das MC ist ein ganz normales Café.“
„Was für ein Café?“ will jetzt auch der Staatsanwalt wissen.
Ich habe es ja gewusst, jetzt artet es wieder in einer Vernehmung aus.
„Mann, ein Café eben.“ Auf die Gefahr hin, bei meinem Vater in Ungnade zu fallen und meinen Vorschuss zu verspielen, werde ich ranzig. „Da gehen alle hin, warum nicht auch ich? Ich bin doch kein Baby mehr und mit den paar Kröten kann doch kein Mensch auskommen. Außerdem brauche ich dringend eine neue Jeans. Ich wollte mit Ida morgen mal in die Geschäfte.“
„Aber du bist erst dreizehn und soweit ich mich erinnere, habe ich dir letztens noch den Friseur bezahlt und dir einen größeren Betrag spendiert. Schon wieder eine neue Hose?“
„Muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich wachse? Die einzig vernünftige Hose, die ich noch besitze, ist zu kurz und auch zu eng geworden.“
„Ja, kein Wunder. Die hast du dir ja auch von vorneherein viel zu klein gekauft. Ich frage mich, wie du es jemals geschafft hast dich in dieses Ding zu quetschen.“
Ich schmeiße die Gabel auf den Teller und erhebe mich. „Dann eben nicht, war ja auch nur eine Frage. Ich gehe jetzt in mein Zimmer; Vokabeln. Der Gurkensalat schmeckt zum Kotzen.“
Jetzt wird meine Mutter säuerlich. Wenn ich am Essen nörgele, wird sie zum Tier. Irgendein Teufelchen in mir wollte aber genau das provozieren.
„Dann gib doch dein ganzes Geld bei McDreck oder in diesem Café aus, wenn es dir da besser schmeckt. Räum dein dreckiges Geschirr gefälligst in die Spülmaschine.“
„Ich bin doch nicht deine Putzfrau“, flüstere ich nicht hörbar. Eins, zwei, drei!
„Ich bin doch nicht deine Putzfrau“, ruft sie wie auf Kommando. Auf die Sprüche meiner Mutter ist Verlass. Gnädig lege ich den Rückwärtsgang ein, bringe meinen Teller in die Küche und begebe mich in mein Zimmer.
Es ist fast soweit. Wir haben abgemacht, dass die sms genau um halb acht ihre Reise über die Netze nehmen wird. Natürlich wurde Levins Nummer sofort den Kontaktdaten zugefügt. Zwischen I wie Ida Handy und M wie Mama Büro erscheint jetzt L wie Levin . Das liest sich ausgesprochen gut. Mein allererster Eintrag von einem gutaussehenden Jungen, der eventuell sogar an mir interessiert ist.
Pünktlich um eine Minute nach halb acht gehe ich es an. Die sms befindet sich seit Stunden vorbereitet in den Entwürfen. Trotzdem lese ich sie noch ein letztes Mal durch. Bloß keinen Fehler übersehen, womöglich mit Tippfehlern abschicken. Levin soll mich nicht für einen Legastheniker halten. Ich sammele meinen ganzen Mut zusammen und versende. Meine Hand zittert ein wenig. Erwartungsvoll verfolge ich den kleinen fortschreitenden Balken der mir anzeigt, dass es nun kein Zurück mehr gibt. Die Übertragung der elektronischen Nachricht läuft. Fertig! Angekommen! Schnell smse ich „ Hab´s gesendet, oh
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