Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
weißt du, was du machen sollst.“
„Nein!“
„Los“, Ida stößt mich wieder Richtung Tür, „wir ziehen das jetzt durch.“
Ehe ich noch reagieren kann, befinde ich mich wieder im Café. Tim und Konsorten stehen an der Theke. Ida geht vor und stellt sich einfach daneben.
Ich weiß nicht, welcher Marionettenspieler mich bewegt, aber ich folge ihr, habe mein Gehirn ausgeschaltet. Leute, die nach einem Unfall einen Schock erleiden, spüren oft ihre Schmerzen nicht. So muss es gerade bei mir sein. Ich befinde mich in einem traumatisierten Zustand und verfolge das Geschehen aus der Vogelperspektive. Meine Beine verflüssigen sich gerade zu Pudding. Cornelius höchstpersönlich fragt, was wir bestellen möchten.
„Drei Apfelschorlen“, ordert Ida.
Sie hat das Zepter in der Hand, fest entschlossen, mein Leben Tim zum Fraße vorzuwerfen. Bin ich eigentlich völlig bescheuert? Ich erwache aus meiner Regungslosigkeit und versuche wieder Richtung Ausgang zu entwischen, aber Ida hält mich fest. Cornelius stellt die Getränke vor uns ab und ich kippe das Glas in einem Zug hinunter. Vielleicht lindert die Apfelschorle ja meine Unterzuckerung, lässt mich wieder klar denken.
Ich verschlucke mich und muss husten, als ich Ida sagen höre. „Du, in der beigen Jacke, bist du nicht der Bruder von Lilly?“
Tim schaut uns drei erstaunt an. „Ja, wieso?“
Ida versteht es wirklich unangenehme Situationen ins unerträgliche zu potenzieren. „Meine Freundin hier“, deutet sie auf Nina „tanzt mit ihr in einer Gruppe.“ Nina schlabbert unwohl an ihrer Schorle.
„Und?“ Tim hebt die Augenbrauen; seine wundervollen, geschwungenen Augenbrauen. Korrigiere, seine wundervollen, geschwungenen Augenbrauen über diesen umwerfenden, braunen Augen mit den unglaublichen, langen, schwarzen Wimpern.
„Äh, na ja“, stottert sie weiter. „Sie soll ja super tanzen, nicht wahr, Nina?“ Ida rempelt Nina an, versucht den schwarzen Peter an sie weiterzugeben.
Nina gibt ein verhaltenes „Äha“, von sich und widmet sich wieder vielbeschäftigt ihrem Getränk.
„Kann sein“, kommt sein magerer Kommentar.
„Das ist übrigens meine Freundin Paula.“ Nun ist es an der Zeit, wie Alice im Wunderland ein paar Kleinmachkekse zu essen und sich ins nächste Mauseloch zu verkriechen. „Paula fährt morgens immer in deinem Bus, ihr müsstet euch kennen.“
Hitze macht sich in meinem Körper breit, wie durch Watte dringt seine Stimme zu mir durch. „Kann sein, ist ja ein öffentliches Verkehrsmittel.“
Öffentliches Verkehrsmittel? Der 611er ist nicht irgendein öffentliches Verkehrsmittel, es ist unser Bus. Im 611er sind wir uns das erste Mal begegnet, Morgen für Morgen, Woche für Woche, haben Blicke getauscht, dieser Bus ist unser Schicksal! Wie kann er diesen Ort so plump als öffentliches Verkehrsmittel bezeichnen? In meinen Spinnereien findet unsere Hochzeit in dieser Linie statt, mit Freunden und Verwandten und allen Fahrgästen, die unsere verliebten, heimlichen Blicke tagtäglich mitbekommen haben. Es gibt eine Hochzeitstorte mit einem kleinen Bus oben drauf. Später würden unsere Kinder fragen, warum ein alter Busfahrplan hinter Glas in unserem Wohnzimmer hängt. Lächelnd würde ich ihnen erzählen, wie wir uns kennengelernt haben, ihr Papa und ich.
Tim mustert mich wortlos. Ich versuche seinem Blick standzuhalten und fälle in diesem Moment die wohl mutigste Entscheidung meines Lebens. Es wird Zeit zu beweisen, dass ich nicht mehr das kleine Mädchen bin, was schüchtern durch die Busreihen große Jungs anschmachtet. Ich bin Ponypaula mit Knackarschjeans und andere Jungs interessieren sich für mich! Nach einem letzten, tiefen Zug Sauerstoff gebe ich den erstbesten Spruch von mir der mir einfällt. „In der letzten Zeit sitze ich aber oft vorne.“ Zugegeben, nicht der Knallerslogan, aber er könnte wenigstens eine Reaktion zeigen. Stattdessen glotzt er mich nur finster an.
„Ich gehe auf die Geschwister-Scholl Realschule.“ Nun komm schon, sag etwas.
„Schön,“ endlich, er redet, „und jetzt lass mich in Ruhe.“
„Du gehst aufs Goethe, oder?“, plappere ich einfach weiter, bis seine Worte endlich mein Stammhirn erreicht haben. Was hat er da gerade gesagt?
„Du nervst, merkst du das eigentlich nicht?“, tritt er nach, wendet sich seinen Freunden zu und sagt etwas von Stalking und komisches Mädchen . Er gibt sich nicht mal Mühe leise zu reden. Es ist ihm egal, dass ich es höre.
Nina greift nach
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