Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
gute alte schwarzgefleckte Erbsen und gebratene grüne Tomaten.«
»Wissen Sie, dass die Tomate eine Frucht ist?«
»Tatsächlich?«, fragte Mrs. Threadgoode überrascht.
»Oh ja.«
Verwirrt schüttelte die alte Dame den Kopf. »Oh nein! All die Jahre dachte ich, Tomaten wären ein Gemüse, und ich hab’ sie auch als Gemüse auf den Tisch gebracht. Eine Tomate ist eine Frucht?«
»Ja.«
»Sind Sie sicher?«
»Völlig. Das habe ich beim Hauswirtschaftsunterricht gelernt. Ich erinnere mich ganz genau.«
»Ich kann’s mir einfach nicht vorstellen. Deshalb werde ich so tun, als hätte ich’s nie erfahren. Aber Rosenkohl ist doch ein Gemüse?«
»Gewiss.«
»Gut. Nun fühle ich mich besser. Und wie ist es mit den grünen Bohnen? Sind das auch Früchte?«
»Nein, die gehören zu den Gemüsen.«
»Wunderbar.« Mrs. Threadgoode aß den letzten Bissen von ihrer Torte, dann fiel ihr etwas ein, und sie lächelte. »Wissen Sie, Evelyn, letzte Nacht hatte ich einen großartigen Traum. Er erschien mir so wirklich. Ich träumte, Momma und Poppa Threadgoode würden auf der Vorderveranda des alten Hauses stehen und mich zu sich winken. Bald kamen auch Cleo und Albert und die anderen Threadgoodes auf die Veranda, und alle riefen nach mir. Ich wollte so gern hingehen, aber mir war klar, dass ich’s nicht durfte. Ich sagte, ich könne erst kommen, wenn sich Mrs. Otis im Heim eingelebt habe. Und Momma antwortete mit ihrer sanften Stimme: ›Beeil dich, Ninny, wir sehnen uns nach dir.‹« Sie wandte sich zu Evelyn: »Manchmal kann ich’s einfach nicht mehr erwarten, in den Himmel hinaufzusteigen. Dort werde ich zuallererst den alten Railroad Bill suchen. Nie hat man rausgefunden, wer er war. Natürlich muss er ein Farbiger gewesen sein, und er ist ganz sicher im Himmel. Glauben Sie das auch, Evelyn?«
»Oh ja, er wird da sein.«
»Wenn’s jemand verdient, dann er. Hoffentlich erkenne ich ihn, wenn ich ihn sehe.«
W HISTLE S TOP C AFÉ
W HISTLE S TOP , A LABAMA
3. Februar 1939
Zur Mittagszeit wimmelte das Lokal von Eisenbahnern. Grady Kilgore ging zur Küchentür und schrie: »Gib mir gebratene grüne Tomaten und Eistee, Sipsey, ja?« Sipsey gab ihm einen gefüllten Teller, und er kehrte mit seinem Lunch ins Café zurück.
1939 war bereits der fünfte Winter, wo Railroad Bill die Züge beraubte. Charlie Fowler, ein Ingenieur von der Southern Railroad sagte zu Kilgore, der gerade an ihm vorbeiging: »He, Grady, wie ich höre, ist der alte Railroad Bill letzte Nacht wieder über einen Zug hergefallen. Werdet Ihr Eisenbahn-Detectives den Kerl denn niemals schnappen?«
Alle Männer lachten, während sich Grady an die Theke setzte, um zu essen. »Macht euch nur lustig, aber es ist keineswegs komisch. In den letzten fünf Wochen hat der Hurensohn fünf Züge beklaut.«
Jack Butts kicherte. »Dieser Nigger schlägt dir immer wieder ein Schnippchen, was?«
Neben ihm saß Wilbur Weems und kaute grinsend an einem Zahnstocher. »Angeblich hat er zwischen hier und Anniston eine ganze Waggonladung Konserven rausgeworfen, und die Nigger haben das Zeug vor Sonnenaufgang geholt.«
»Ja, und nicht nur das!«, erwiderte Grady. »Der schwarze Bastard warf auch noch siebzehn Schinken aus diesem verdammten Zug, die der US-Regierung gehörten. Und das am helllichten Tag!«
Glucksend stellte Sipsey den Eistee vor ihn hin, und er griff nach dem Zucker. »Also, das ist wirklich nicht lustig, Sipsey. Nun wird sich sogar schon ein Regierungsinspektor aus Chicago an meine Fersen heften. Ich muss nach Birmingham fahren und ihn dort treffen. Zum Teufel, wir haben ohnehin schon sechs zusätzliche Detectives eingesetzt. Dieser Schurke bringt’s noch fertig, dass ich gefeuert werde.«
»Offensichtlich kriegt niemand raus, wie er in die Züge kommt«, bemerkte Jack. »Und wieso er weiß, in welchen Waggons Lebensmittel transportiert werden. Oder wie er euch Jungs immer wieder entwischt.«
»Grady«, sagte Wilbur, »man munkelt, du wärest noch nicht mal annähernd dran gewesen, ihn zu fangen.«
»Nun ja, neulich hätte Art Bevins ihn fast geschnappt, außerhalb von Gate City. Nur um zwei Minuten hat er ihn verpasst, also sind Railroad Bills Tage gezählt. Ihr werdet schon noch an meine Worte denken.«
Idgie trat neben den Sheriff. »He, Grady, soll Stump euch drüben bei der Bahn helfen? Vielleicht erwischt er ihn.«
»Halt den Mund, Idgie, und bring mir noch was von diesen verdammten Dingern.« Er hielt ihr den leeren Teller hin.
Ruth
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