Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Tochter von Jasper Peavey war, dem einstigen vielversprechenden Pullman-Gepäckträger.
S OUTHERN R AILROAD N EWS
1. Juni 1950
E ISENBAHNER DES M ONATS
»Sein einziges Ziel ist es, die Leute zu erfreuen und ihnen die Fahrt so angenehm wie möglich zu machen. Bitte übersehen Sie diesen hervorragenden Mann nicht, wenn Sie den Eisenbahner des Monats wählen.« So beschrieb der »Silver Crescent«-Fahrgast Cecil Laney den Pullman-Angestellten Jasper O. Peavey.
Dieser wunderbare Mann wurde regelmäßig befördert, seit er mit siebzehn Jahren als Gepäckträger am Bahnhof von Birmingham, Alabama, für die Eisenbahn zu arbeiten begann. Er war Koch, Güterwagenfahrer, Bahnhofsbeamter, Speisewagenkellner, Salonwagenschaffner, und 1935 wurde er zum Pullman-Schaffner ernannt. 1947 avancierte er zum Präsidenten der Vereinigung von Schlafwagenschaffnern.
Mr. Laney fuhr fort: »Jaspers höfliche kleine Gesten nehmen ihren Anfang, sobald ein Fahrgast in den Zug steigt. Er sorgt dafür, dass das Gepäck aller Leute ordentlich verstaut wird, und während der Reise versucht er mit unerwarteten kleinen Dienstleistungen den Komfort zu steigern, stets mit seinem breiten Grinsen und fröhlichen Lachen. Ein paar Minuten vor der Einfahrt in eine Station verkündet er: ›In etwa fünf Minuten treffen wir in … ein. Wenn ich Ihnen mit dem Gepäck helfen kann, wird es mir ein Vergnügen sein.‹ Er ist uns ein vertrauter Freund, ein aufmerksamer Gastgeber, ein wachsamer Beschützer. Wie oft hat er uns mit Annehmlichkeiten verwöhnt und uns einen Gefallen getan! Er kümmert sich um die Kinder, hilft entnervten Müttern. Immer ist er freundlich, zuvorkommend und tüchtig. Dafür sind ihm die Fahrgäste sehr dankbar. Es ist ungewöhnlich, in den Zeiten, die wir gerade erleben, einem solchen Mann zu begegnen.«
Jasper fungiert als Laienprediger in der Baptistenkirche in Birmingham, Sixteenth Street, und hat vier Töchter. Zwei sind Lehrerinnen, eine wird zur Krankenschwester ausgebildet, und die jüngste möchte in New York Musik studieren.
Wir gratulieren Jasper O. Peavey, unserem hervorragenden Eisenbahner des Monats.
T HE W EEMS W EEKLY
(W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
27. August 1955
D ER B AHNHOF WIRD GESCHLOSSEN
Natürlich sind wir alle sehr traurig, weil der Bahnhof geschlossen wird. Nachdem wir die meisten unserer Züge eingebüßt haben, scheinen wir auch noch viele alte Freunde zu verlieren, die woandershin ziehen werden. Wir können nur hoffen, dass die Züge bald wieder verkehren. Wenn nur wenige Züge durch unsere Station fahren, stimmt irgendwas nicht in Whistle Stop.
Grady Kilgore, L & N-Detective im Ruhestand, meint, ohne Züge könne das Land nicht existieren und es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Regierung das begreifen würde. Ich glaube, die L & N Co. wird bald zur Vernunft kommen und die Bahnlinie wiedereröffnen.
Erst Georgia Pacific Seaboard – und jetzt L & N. Nur die Southern Railroad hat durchgehalten. Offenbar hält man nichts mehr von Leuten, die mit der Bahn fahren.
Wie wir hören, wird vielleicht auch das Café schließen. Idgie erklärt, die Geschäftslage habe sich verschlechtert.
Übrigens, meine andere Hälfte behauptet, er leide seit zehn Tagen an der achttägigen Lungenentzündung … Männer!
Dot Weems
A USSERHALB VON R OANOKE , V IRGINIA
P ULLMAN -W AGGON N UMMER S ECHZEHN
23. Dezember 1958
Jasper Peavey blieb die ganze stille Nacht wach, während der Zug durch die schneebedeckte Landschaft glitt und der Mond auf den weißen Feldern glitzerte.
Eisblumen schmückten das Fenster, aber im Waggon war es warm und gemütlich. Um diese Zeit fühlte er sich stets am sichersten und am wohlsten. Kein unentwegtes Lächeln wie tagsüber – nur Stille. Bei jeder Station glitten die roten und grünen Lichter vorbei, welche die Bahnübergänge markierten, und im Morgengrauen erhellten sich vereinzelte Fenster in den kleinen Städten.
In einem Monat würde Jasper in den Ruhestand treten und eine beträchtliche Pension von der Southern Railroad beziehen. Er war ein Jahr später als sein Zwillingsbruder Artis nach Birmingham gekommen. Trotz der nahen Verwandtschaft und obwohl sie beide vor dem Gesetz als Schwarze galten, hatten sie ein völlig verschiedenes Leben geführt.
Jasper liebte seinen Bruder, sah ihn aber nur selten. Sehr schnell hatte Artis einen Platz in der vitalen Gesellschaft an der 4th Avenue North erobert, wo heißer Jazz erklang und die Würfel Tag und Nacht
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