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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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tun würde, aber am schlimmsten war’s wohl 1928, als ich diesen Job in der Terpentinfabrik unten in Vinegar Bend antrat, in Alabama. Zwei Monate lang hatte ich nur Schweinefleisch und Bohnen gegessen, und ich war so pleite, dass ein Fünfcentstück wie ein Pfannkuchen aussah. Sonst hätte ich den Job nie angenommen. Die einzigen Weißen, die man da unten für diese Arbeit kriegen konnte, waren die Akadier, und die wurden Terpentin-Nigger genannt. Dieser Job brachte einen Weißen um. Ich hielt’s nur fünf Tage aus, und danach war ich drei Wochen lang todkrank von diesem Gestank. Der hing im Haar, klebte an der Haut. Ich musste meine Kleider verbrennen …«
    Plötzlich verstummte Smokey und setzte sich auf. Sobald er Männerstimmen und eilige Schritte hörte, wusste er, dass es die Legion war. Seit ein paar Monaten führte die American Legion Razzien in Landstreichercamps durch und schlug alles nieder, was sich ihr in den Weg stellte – wild entschlossen, ihre Stadt vom Abschaum zu befreien. »Los!«, schrie er den Jungen an. »Verschwinden wir!«
    Und sie rannten davon, ebenso wie die hundertzwanzig anderen Bewohner des Camps. Dabei hörten sie, wie die Wände aus Teerpappe zerrissen, die Bretter mit Brecheisen und Stahlrohren zertrümmert wurden.
    Smokey rannte nach links, und sobald er dichtes Unterholz erreichte, sank er zu Boden, denn er wusste, dass er mit seinen schwachen Lungen nicht vor der Legion fliehen konnte. Also wollte er im Gebüsch warten, der Länge nach ausgestreckt, bis alles vorbei war. Der Junge konnte weiterlaufen. Später würden sie sich irgendwo treffen.
    Als die Geräusche verhallten, kehrte er ins Camp zurück, um nachzuschauen, ob noch irgendwas davon übrig war. Statt dem kleinen Hüttendorf sah er nur mehr Haufen aus Teerpappe und Holzteilen, weit verstreut, manche flach gestampft wie Pfannkuchen. Gerade wollte er wieder gehen, da hörte er eine Stimme: »Smokey?«
    Der Junge lag etwa zehn Meter von den Resten der Hütte entfernt, wo sie hatten übernachten wollen. Überrascht ging Smokey zu ihm. »Was ist passiert?«
    »Ich weiß, du hast mir gesagt, ich soll meine Schnürsenkel niemals lösen, und sie waren auch fest verknotet. Trotzdem bin ich gestolpert.«
    »Hast du dir weh getan?«
    »Ich glaube, ich wurde umgebracht.«
    Smokey hockte sich neben ihn und sah, dass die rechte Seite des Kopfs eingeschlagen war. Der Junge schaute ihn an. »Weißt du, Smokey, ich dachte, das Trampen würde Spaß machen. Aber das stimmt nicht …« Dann schloss er die Augen und starb.
    Am nächsten Tag trommelte Smokey ein paar Bekannte zusammen, und sie begruben den Jungen auf dem Landstreicherfriedhof außerhalb von Chicago. Elmo Williams las einen Vers vor. Den hatte er auf Seite 301 des kleinen roten Heilsarmee-Liederbuchs gefunden, das er stets bei sich trug.
    »Wenn ein Freund stirbt, seid erfreut,
Unser Verlust ist ein ewiger Gewinn.
Seine Seele aus dem Gefängnis befreit,
Fliegt ohne die Fesseln des Körpers dahin.«
    Den Namen des Toten kannten sie nicht, also stellten sie ein Kreuz auf, aus einer Holzkiste gebastelt, und schrieben darauf: »Der Junge.«
    Als die anderen gingen, blieb Smokey noch eine Weile vor dem Grab stehen, um Abschied zu nehmen. »Na, wenigstens hast du Sally Rand gesehen, Kumpel«, sagte er. »Das ist immerhin etwas …«
    Dann wandte er sich ab und wanderte zum Bahnhof. Dort wollte er in einen Zug nach Süden steigen, nach Alabama. Es drängte ihn, Chicago zu verlassen. Der Wind, der hier um die Häuser fegte, war so kalt, dass er einem Mann Tränen in die Augen treiben konnte.

T HE W EEMS W EEKLY
    (W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
    8. Dezember 1938
    V ORSICHT , S PRENGKAPSELN !
    Verbieten Sie Ihren Kindern, bei den Rangierbahnhöfen zu spielen, wo alles mögliche mit Dynamit gesprengt wird. Meine andere Hälfte erzählte mir, vor ein paar Tagen, auf der Fahrt nach Nashville, habe er von einem Typ gehört, der versehentlich in eine Sprengkapsel biss. Dabei wurden ihm die Lippen weggerissen.
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    Die Baptistenkirche veranstaltete eine Ausflugsfahrt mit einem Heuwagen. Infolge eines Missgeschicks wurde Peggy Hadley auf dem Parkplatz zurückgelassen, stieß aber später wieder zur Gruppe.
    Letzten Samstag

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