Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Damals war ich erst fünfzehn und erklärte ihm, ich sei nicht dran interessiert, irgendwen zu heiraten, und noch viel zu jung. Da entgegnete er, nächstes Jahr würde er’s wieder versuchen. Das tat er, und ich hatte meine Meinung nicht geändert. Mit achtzehn heiratete ich ihn, obwohl ich immer noch nicht dazu bereit war.
Zunächst fürchtete ich, Cleo wäre nicht der Richtige für mich, und ich jammerte Momma Threadgoode vor, ich hätte vermutlich den Falschen genommen. Sie sagte, ich solle mich nicht sorgen, ich würde lernen, ihn zu lieben.«
Die alte Frau wandte sich zu Evelyn: »Ich frage mich, wie viele Leute nicht den kriegen, den sie wollen, und bei dem landen, den andere ihnen einreden. Jedenfalls – wenn ich auf die glücklichen Jahre mit Cleo zurückblicke und mir vorstelle, ich hätte ihn abgewiesen, schaudert’s mich.
Natürlich war ich sehr naiv, als ich seine Frau wurde.« Sie kicherte. »Wie naiv – das werde ich Ihnen nicht verraten. Jedenfalls wusste ich nichts von Sex und allem, was dahintersteckt. Nie zuvor hatte ich einen nackten Mann gesehen, und das erschreckt einen zu Tode, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Aber Cleo war so lieb zu mir, und mit der Zeit gewöhnte ich mich daran.
Mit gutem Recht kann ich behaupten, dass in all den Ehejahren kein einziges böses Wort zwischen uns fiel. Er war meine Mutter, mein Vater, mein Mann, mein Lehrer. Alles, was man sich von einem Menschen nur wünschen kann. Oh, und die Trennungen waren grässlich. Erst der Weltkrieg – und dann musste ich wieder bei Momma wohnen, während er Chiropraktik studierte. Cleo war ein Selfmademan. Niemand half ihm. Er klagte nicht, er handelte einfach. So war Cleo.
Und in all den Jahren, wo wir vergeblich auf ein Baby hofften, kränkte er mich kein einziges Mal. Und dabei wusste ich, wie sehnlich er sich Kinder wünschte. Als der Doktor schließlich erklärte, das Problem liege in meiner geknickten Gebärmutter und ich würde nie schwanger werden, nahm Cleo mich in die Arme und sagte: ›Das ist okay, Schätzchen, du bist alles, was ich auf dieser Welt brauche.‹ Und er gab mir nie das Gefühl, es könnte anders sein. Aber ich wollte ihm so gern ein Baby schenken. Ich betete und betete und beschwor den Allmächtigen: ›O Herr, wenn du mich unfruchtbar gemacht hast, um mich für eine Sünde zu bestrafen, lass bitte nicht Cleo darunter leiden.‹ Oh, das quälte mich jahrelang.
Und dann saß ich an einem Ostersonntag in der Kirche, und Reverend Scroggins erzählte uns die Geschichte von der Auferstehung unseres Herrn. Sekundenlang schloss ich die Augen und malte mir aus, wie wunderbar es wäre, wenn ich die Arme erheben und mit Jesus zum Himmel emporschweben könnte, um einen kleinen Engel für Cleo zu holen. Und als ich ganz fest daran dachte, fiel durch das bunte Kirchenfenster ein Sonnenstrahl auf mich, wie ein greller Scheinwerfer. Das Licht war so hell, dass es mich blendete, und es beleuchtete mich bis zum Ende der Predigt. Später sagte Reverend Scroggins, er habe den Blick nicht von mir abwenden können und mein Haar sei wie Feuer erglüht. ›An diesem Sonntag haben Sie sich den richtigen Platz ausgesucht, Mrs. Threadgoode.‹
Aber ich wusste es sofort – auf diese Art teilte der liebe Gott mir mit, er habe meine Gebete erhört. Halleluja, der Heiland war auferstanden …
Bei Alberts Geburt war ich zweiunddreißig, und es gab keinen glücklicheren Daddy als Cleo Threadgoode.
Albert war ein kräftiges Baby. Er wog zwölfeinhalb Pfund. Damals wohnten wir noch im großen Haus. Momma Threadgoode und Sipsey kümmerten sich im Oberstock um mich, Cleo wartete mit den anderen in der Küche. An jenem Nachmittag kamen Idgie und Ruth vom Café herüber. Idgie brachte eine Flasche Wild Turkey Whiskey mit und schüttete heimlich was in Cleos Teetasse, um ihn zu beruhigen. Das war meines Wissens das einzige Mal, wo er Alkohol trank. Sie sagte, sie könne seine Gefühle nachempfinden. Das Gleiche habe sie durchgemacht, als Ruths Baby zur Welt gekommen sei.
Später erzählten sie mir, Cleo sei in Tränen ausgebrochen, als Sipsey ihm Albert zum ersten Mal in die Arme gelegt habe. Und es dauerte ziemlich lange, bis wir herausfanden, dass irgendwas nicht stimmte.
Wir bemerkten, wie schwer es dem Baby fiel, sich aufzusetzen. Es bemühte sich so und fiel immer wieder zur Seite. Und es konnte erst mit einundzwanzig Monaten gehen. Wir brachten Albert zu allen Ärzten in Birmingham. Keiner erkannte, was ihm fehlte.
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