Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
wenn du die Würmer wärmst, sind sie wieder kalt, wenn sie auf dem Grund des Flusses ankommen, nicht wahr? Da wir gerade von Kälte sprechen – ist das nicht ein eisiger Winter? Draußen friert es.«
Albert spielte am anderen Ende des Zimmers mit Stump. Gemeinsam Schossen sie auf die Pappamseln. Während Ninny ihren Kaffee trank, hatte sie eine Idee: »Stump, könntest du mal zu uns rüberkommen und auf diese alten Amseln ballern, die unsere Telefondrähte bevölkern? Du sollst ihnen nicht wehtun, aber es wäre wundervoll, wenn du sie verscheuchen würdest. Ich fürchte, mit ihren Füßen hören sie alle meine Telefonate ab.«
Ruth, die Ninny vergötterte, schüttelte den Kopf. »Das glaubst du doch nicht im Ernst?«
»Nun, Schätzchen, Cleo hat’s jedenfalls gesagt.«
S LAGTOWN N EWS – S TRANDGUT & T REIBGUT
VON M R . M ILTON J AMES
19. November 1940
F RAU DURCH Z AUBEREI UM FÜNFZIG D OLLAR BETROGEN
Mrs. Sallie Jinx, wohnhaft in 68-C Howell Street, S. E., wurde das Opfer eines Schwindels, wie sie gestern der Polizei meldete. Eine Frau, die sie als Sister Bell kannte, kam zu ihr ins Haus und erklärte, sie würde fünfzig Dollar von Mrs. Jinx’ Geld in eine Serviette zaubern. Sie legte die Serviette in eine Truhe und wies Mrs. Jinx an, erst vier Stunden später darin nachzuschauen. Als diese die Serviette auseinander faltete, war das Geld verschwunden.
Toncille Robinson und E. C. Robinson lassen ihren Freunden mitteilen, dem einen sei egal, was der andere treibe.
Einer aus unserer Mitte wird vermisst
Anscheinend hat sich die 8th Avenue sehr verändert. Artis O. Peavey, in unserem Viertel wohlbekannt, beschloss nach Windy City zu gehen. Von unserer weiblichen Bevölkerung wird er schmerzlich vermisst, das dürfen Sie mir glauben.
Wie wir hören, musste Miss Helen Reid die Polizei verständigen, weil ein Herumtreiber spätnachts in ihr Haus an der Avenue F einzudringen und ihr etwas anzutun versuchte. Als die Beamten eintrafen, nahmen sie einen Gentleman fest, der sich, einen Eispickel in der Hand, im Garten versteckt und behauptet hatte, er sei der Eismann.
Könnte dieser Gentleman Mr. Baby Shephard gewesen sein, der früher für Miss Reid geschwärmt hat?
Der Esquire Club bereitet seine alljährliche Entspannungsparty vor.
Schallplattenneuigkeiten
Ellingtons »Black and Tan Fantasy« ist eine neue, hochinteressante und originelle Decca-Aufnahme. Der Pianist in »Creole« gibt einen Boogie-Woogie-Sound zum besten, der merkwürdig, aber wirkungsvoll klingt.
10 TH A VENUE
C HICAGO , I LLINOIS
30. November 1940
Es regnete in Chicago, und Artis O. Peavey lief die Straße hinab. Er sprang in eine Tür, unter ein Schild mit der Aufschrift: »Meeresfrüchte-Lunch, Bratfisch, 5 Cent.« Gegenüber liefen im RKO Alhambra »Die Verbrecherwelt« und »Das Reich der Gangster«. Er fühlte sich selber wie ein flüchtiger Verbrecher hier oben, weit weg von zu Hause. Dabei versteckte er sich nur vor einer gewissen dunkelhäutigen Dame namens Electra Greene.
Er stand da, rauchte eine Chesterfield-Zigarette, grübelte über das Leben und dessen Verwicklungen nach. Seine Mutter hatte gesagt, wann immer sie sich elend fühle, müsse sie nur an ihren süßen Jesus denken, und sofort würde ihr leichter ums Herz.
Aber es war kein solcher Gedanke gewesen, der Artis’ Stimmung gehoben hatte, sondern der Anblick einer schwarzen Schönheit mit runden Hüften und vollen Lippen. Und nicht nur die Stimmung hatte sich gehoben, zum Entzücken besagter Schönheit. Derzeit lag sein größtes Problem darin, dass er ein zu guter Liebhaber war und seine Fähigkeiten auf unkluge Weise einsetzte.
Was die Ehemänner der schönen Damen betraf, hatte Artis stets gefährliche Spiele getrieben, denn er kannte keine Grenzen. Er glaubte, jedes weibliche Wesen gehörte automatisch ihm. Wegen seines mangelnden Respekts vor territorialen Rechten hatte er sich schon mehrmals gezwungen gesehen, seinen Körper nach Stichwunden und Knochenbrüchen abzusuchen, und viel zu oft welche gefunden. Eine bronzebraune Amazone schlug ihn mit einem Korkenzieher nieder, nachdem sie ihn zum falschen Zeitpunkt mit der falschen Frau erwischt hatte. Er ging etwas vorsichtiger zu Werke seit diesem unglückseligen Zwischenfall, an den ihn eine recht interessante Narbe erinnerte, um es milde auszudrücken. Und nun zögerte er auch, sich mit Frauen einzulassen, die größer waren als er. Trotzdem blieb er ein Herzensbrecher. Und er hatte einer Frau zu viel
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