Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Schätzchen, dieser Hass schadet Ihnen nur. Er wird Ihr Herz in bittere Galle verwandeln. Man kann die Menschen nicht ändern, genauso wie ein Stinktier immer ein Stinktier bleiben wird. Glauben Sie, die Stinktiere wären lieber was anderes, wenn sie die Wahl hätten? Oh ja, ganz sicher … Und die Menschen sind nun mal schwach. Evelyn gestand mir, manchmal würde sie ihren Mann beinahe hassen. Er sitzt nur rum, tut nichts, schaut sich seine Football-Spiele an, oder er telefoniert. Und Evelyn hat dieses schreckliche Bedürfnis, ihm mit einem Baseballschläger auf den Kopf zu hauen, ohne besonderen Grund. Die arme Kleine – sie glaubt, sie wäre der einzige Mensch auf der Welt, der jemals hässliche Gedanken hegt. Ich versicherte ihr, dieses Problem sei ganz natürlich, wenn eine Ehe schon so lange dauere.
Als Cleo sein erstes falsches Gebiss bekam, war er mächtig stolz darauf. Wann immer er einen Bissen in den Mund nahm, klickten seine Zähne. Das zerrte dermaßen an meinen Nerven, dass ich abends manchmal vom Tisch aufstehen musste, um nicht irgendeine abfällige Bemerkung zu machen. Dabei liebte ich den Mann wirklich. Aber irgendwann machen alle Eheleute eine Phase durch, wo sie einander nerven. Und eines Tages – ich weiß nicht, ob die Zähne zu klicken aufhörten oder ob ich mich dran gewöhnt hatte … Jedenfalls störte es mich nicht mehr. So was kommt in den besten Familien vor.
Zum Beispiel Idgie und Ruth. Eine innigere Liebe als zwischen diesen beiden kann man sich gar nicht vorstellen. Aber auch sie hatten zeitweise ihre Schwierigkeiten. Einmal zog Ruth zu uns. Ich erfuhr nie, warum, und ich fragte nicht danach, weil’s mich nichts anging. Aber ich glaube, es passte ihr nicht, dass Idgie immer wieder zu Eva Bates fuhr, die unten am Fluss wohnte. Einmal sagte sie, Eva würde Idgie vielleicht ermuntern, mehr zu trinken, als sie vertragen könne. Und das stimmte.
Aber wie ich Evelyn erklärte – jeder hat seine kleinen Eigenheiten. Arme kleine Evelyn … Ich sorge mich um sie. Die Wechseljahre machen ihr schwer zu schaffen. Sie will nicht nur Ed auf den Kopf hauen. Neuerdings sieht sie auch in ihrer Fantasie, wie sie sich schwarz anzieht, nachts losläuft und alle schlechten Menschen mit einer Maschinenpistole erschießt. Können Sie sich das vorstellen? Ich sagte ihr: ›Schätzchen, Sie sehen zu viel fern. Solche Gedanken müssen Sie sich sofort aus dem Kopf schlagen. Außerdem ist es nicht an uns, über andere Leute zu richten. In der Bibel steht klar und deutlich, am Jüngsten Tage würde Jesus mit einer Engelschar runterkommen, um Sein Urteil über die Lebenden und die Toten zu sprechen.‹«
B ADE - UND A NGELCLUB
W AGENRAD W ARRIOR R IVER , A LABAMA
3. Juni 1946
Die blauen Lämpchen brannten, drinnen hörte man die Leute grölen, und die Musicbox plärrte über den Fluss hinweg. Idgie saß mitten drin, trank Pabst-Blue-Ribbon-Bier und spülte es mit noch mehr Pabst-Blue-Ribbon-Bier hinunter. An diesem Abend verzichtete sie auf Whiskey, denn am Vorabend hatte sie so viel davon konsumiert, dass es für eine Weile reichte.
Ihre Freundin Eva amüsierte sich mit ein paar Jungs, die an diesem Abend eigentlich an der Versammlung des Elchclubs drüben in Gate City teilnehmen sollten. Sie ging an Idgie vorbei und schaute sie an. »Guter Gott, Mädchen, was ist denn mit dir los? Du siehst aus wie eine verkaterte Eidechse.«
Hank Williams sang sich das Herz aus dem Leib und verkündete, er sei so einsam, dass er sterben könnte.
»Ruth ist ausgezogen«, erklärte Idgie.
Sofort wechselte Evas Stimmung. »Was?«
»Sie ist ausgezogen. Jetzt wohnt sie bei Cleo und Ninny.«
Eva setzte sich. »Um Himmels willen, warum?«
»Sie ist mir böse.«
»Das dachte ich mir. Aber was hast du angestellt?«
»Ich habe sie belogen.«
»Oh … Und was hast du gesagt?«
»Ich würde nach Atlanta fahren und meine Schwester Leona und John besuchen.«
»Und du warst nicht dort?«
»Nein.«
»Wo warst du denn?«
»Im Wald.«
»Mit wem?«
»Allein. Ich wollte einfach nur mal allein sein, mehr steckt nicht dahinter.«
»Warum hast du’s ihr nicht erzählt?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich bin ich’s leid, ständig jemandem mitteilen zu müssen, wo ich wann sein würde. Ich weiß es nicht. Irgendwie fühlte ich mich wie eine Gefangene, und ich musste mal für eine Weile da raus. Deshalb log ich. Das ist alles. Wozu das Getue? Grady belügt Gladys, und Jack belügt Mozell.«
»Klar, aber du bist weder Grady
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