Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
hättest, den du liebst, der dich wiederliebt und für dich sorgt. Ehe du dich versiehst, sind die nettesten Mädchen vergeben. Und was hast du an Peggy auszusetzen?«
»Sie ist okay.«
»Ich weiß, du magst sie. Ehe du so ein aufgeblasener Lümmel geworden bist, hast du ihr am Valentinstag immer Blumen geschickt.«
Keine Antwort.
»Gibt’s ein anderes Mädchen, das du magst?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
» Es gibt eben keines!«, schrie Stump. » Das ist alles! Und jetzt lass mich in Ruhe!«
»Hör mal, mein Junge«, entgegnete Idgie, »vielleicht bist du ein toller Kerl auf dem Football-Platz, aber ich hab’ dir die Windeln gewechselt, und wenn’s sein muss, kann ich dir immer noch eine runterhauen. Also, was ist los?«
Er schwieg.
»Nun, was ist los mit dir, mein Junge?«
»Ich hab’ keine Ahnung, wovon du redest, und jetzt muss ich gehen.«
»Bleib sitzen. Du musst nirgendwohin gehen.«
Stöhnend lehnte er sich zurück.
»Stump, magst du keine Mädchen?«, fragte sie leise.
»Doch.« Er schaute zur Seite.
»Warum gehst du dann nicht mit ihnen aus?«
»Ich bin weder schwul noch sonst was, falls du dich deshalb aufregst. Es ist nur …« Stump wischte sich die schweißnassen Handflächen an der Khakihose ab.
»Was, mein Junge? Wir konnten doch immer über alles reden.«
»Ich weiß, aber über das will ich mit niemandem reden.«
»Nun, ich will’s. Also?«
»Es ist nur … O Jesus!« Nach einer kleinen Pause murmelte er: »Wenn’s ein Mädchen tun will …«
»Du meinst, wenn ein Mädchen Sex will?«
Er nickte und schaute zu Boden.
»Hast du irgendwelche körperlichen Probleme, mein Junge? Ich meine – kriegst du keinen hoch? Wenn das so ist, solltest du dich mal vom Doktor untersuchen lassen.«
Stump schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht. Mit mir stimmt alles. Ich hab’s schon tausendmal gemacht.«
Die Zahl überraschte Idgie, aber sie blieb ruhig. »Dann wissen wir wenigstens, dass du okay bist.«
»Ja, das bin ich wohl. Ich hab’s gemacht, aber nicht mit Mädchen, sondern allein.«
»Das schadet nichts, aber ich finde, du solltest es auch mal mit einem Mädchen versuchen. Ein hübscher Junge wie du muss doch genug Chancen haben.«
»Schon – aber …« Sie hörte, wie seine Stimme zu brechen drohte.
»Was, mein Junge?«
Plötzlich konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er sah zu ihr auf. »Ich habe einfach Angst, Tante Idgie.«
Nie hätte sie geglaubt, Stump könnte jemals Angst empfinden – wo er doch sein Leben lang so tapfer gewesen war. »Wovor fürchtest du dich?«
»Nun, wenn ich wegen meines Arms das Gleichgewicht verliere und von ihr runterfalle … Und vielleicht weiß ich auch nicht, wie man’s richtig macht, und tu’ ihr weh …« Jetzt wich er wieder ihrem Blick aus.
»Stump, schau mich an. Wovor fürchtest du dich wirklich?«
»Das hab’ ich dir doch gesagt.«
»Du hast Angst, das Mädchen würde dich auslachen?«
Nach langem Zögern gestand er: »Ja, das wird’s wohl sein.« Er schlug die eine Hand vors Gesicht, weil er sich seiner Tränen schämte.
Idgies Herz flog ihm entgegen, und sie tat etwas, wozu sie sich nur selten entschloss. Sie stand auf, nahm ihn in die Arme und wiegte ihn hin und her wie ein Baby. »Oh, wein doch nicht, mein Engel! Alles wird gut. Nichts wird dir passieren. Niemals würde Tante Idgie erlauben, dass dir was Böses zustößt. Hab’ ich dich jemals im Stich gelassen?«
»Nein.«
»Du brauchst dich nicht zu fürchten.« Und während sie ihn in den Armen hielt, fühlte sie sich schrecklich hilflos. Sie überlegte krampfhaft, ob es irgendjemanden gab, der ihn von seiner Angst befreien könnte.
Am frühen Samstagmorgen fuhr Idgie mit Stump zum Fluss, so wie vor vielen Jahren, durch das Gatter mit dem weißen Wagenrad, zu einer Hütte mit abgeschirmter Veranda und ließ ihn aussteigen.
Die Hüttentür öffnete sich, und eine frisch gebadete, gepuderte, parfümierte Frau mit rostrotem Haar und apfelgrünen Augen sagte: »Komm rein, Süßer.« Idgie wendete das Auto und kehrte nach Hause zurück.
T HE W EEMS W EEKLY
(W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
30. Oktober 1947
S TUMP T HREADGOODE MACHT SICH
Über Stump Threadgoode, Idgie Threadgoodes und Ruth Jamisons Sohn, erschien ein langer Artikel in den Birmingham News. Herzlichen Glückwunsch! Wir alle sind mächtig stolz auf ihn, aber gehen Sie nicht ins Café, es sei denn, Sie wollen sich eine Stunde lang anhören, was Idgie Ihnen über das Spiel
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