Gruenkohl und Curry
Haus ihres Mannes oder ihrer Schwiegereltern. Der Hochzeitsdramaturgie zufolge dürfen Braut, Brauteltern und Freundinnen der Braut an dieser Stelle ein paar Tränen vergießen.
Manche Paare ziehen nach der Hochzeit in ein eigenes Haus oder in eine eigene Wohnung. Sie müssen es sich allerdings leisten können, finanziell sowieso, aber auch sozial, denn nicht alle Familien tolerieren das. Üblich ist immer noch das Zusammenleben in der Großfamilie, mit drei oder gar vier Generationen unter einem Dach. Und immer zieht die Frau zur Familie des Mannes – niemals umgekehrt.
Gelegentlich feiern Paare Rukhsati erst ein paar Tage oder gar Wochen nach der Heirat, wenn beispielsweise die neue gemeinsame Wohnung noch nicht bezugsfertig ist oder der Ehemann so weit weg wohnt, dass für den Umzug noch einiges vorzubereiten ist. Für meine Eltern stand das Haus von Kazim Ali Kahn und Afsar Begum offen – allerdings nicht mehr das Chattar Manzil. Das hatte mein Großvater Mitte der Sechzigerjahre verkaufen müssen, um die Schulden aus seinem aristokratischen Lebenswandel zu tilgen, sehr zum Ärger von Afsar Begum. Was von dem durchaus üppigen Verkaufserlös übrig blieb, investierte er in ein paar kleine Wohnungen, eine davon bezog die Familie selbst. Das alles geschah, als mein Vater längst zur See fuhr.
Erst Anfang der Siebzigerjahre ging es bei Kazim Ali Khan finanziell wieder aufwärts, er hatte inzwischen ein Alter erreicht, in dem er weise geworden war und einen verschwenderischen Lebensstil für unsinnig hielt. Ein paar Autominuten vom Chattar Manzil entfernt kaufte er ein Grundstück und baute ein zweistöckiges großes Haus – es ist das Haus meiner Großeltern, das ich kenne.
Hier sollte meine Mutter wohnen, bis mein Vater den Papierkram für ihre Einreise nach Deutschland erledigt und das Flugticket besorgt haben würde. Bis zum Umzug nach Deutschland würde mein Vater allerdings die meiste Zeit auf dem Schiff sein, Anfang März endete sein Urlaub. Meine Mutter musste sich darauf einstellen, einige Monate ohne ihren Mann in einer neuen Familie leben zu müssen.
Meine Eltern feierten eine eher moderne Form von Rukhsati. Sie verließen die Festgesellschaft nicht in Richtung Elternhaus meines Vaters, sondern hatten sich eine Hochzeitssuite im Hotel gemietet.
Eine Feier stand jetzt noch aus:
Valima
, die von den Eltern des Bräutigams organisierte Begrüßung der Braut im Hause ihrer neuen Familie. Kazim Ali Khan und Afsar Begum hatten die Gästeliste zusammengestellt und waren auf etwa siebenhundert Namen gekommen. Sie sahen keine Chance, diesen Andrang in ihrem neuen Haus zu bewältigen, und luden deshalb ebenfalls ins Hotel Intercontinental ein. Auch sie verschickten Hunderte Karten, grüne Klappkarten mit goldenem Muster und goldener »Wedding«-Aufschrift. Diesmal freuten sich »Frau und Herr Kazim Ali Khan über die Gesellschaft von«, und hier ist der Name des Eingeladenen handschriftlich eingetragen, »bei der Hochzeitszeremonie ihres Sohnes Hasan Kazim mit Nasreen, Tochter von Manzur Ali«. In dieser Einladung ist der Name des Brautvaters falsch geschrieben.
Daraus ließe sich nun die Geschichte konstruieren von zwei Familien, die sich nicht mögen und nicht einmal gegenseitig ihre Namen richtig schreiben können oder es sogar absichtlich falsch tun – aber es wäre eine erfundene Geschichte. Wahrscheinlich hatte die Sache damals keine Bedeutung: Wen interessiert die Schreibweise eines Namens, wenn selbst das Geburtsdatum eines Menschen egal ist? Die Fehler mögen aus der Übertragung aus der arabischen in die lateinische Schrift herrühren. Vielleicht war es auch einfach nur südasiatische Ungenauigkeit. Jedenfalls haben die Eltern des Hochzeitspaares einander die falsch geschriebenen Namen nicht verübelt. Mich würde nicht wundern, wenn sie ihnen nicht einmal aufgefallen wären.
Drei Tage nach der Hochzeit traf sich die Festgesellschaft also zu Valima am gleichen Ort wieder. Und wieder gab es Essen, Tanz, Gesang. »An Valima wird Essen und Geld an Bettler verteilt«, erzählt meine Mutter. »An diesem Tag sollen sie an der Freude des Hochzeitspaares teilhaben.«
Es waren schöne, aber anstrengende Tage. Alkohol floss keiner oder jedenfalls nicht öffentlich. Der eine oder andere mag sich an der Hotelbar vielleicht doch einen Whisky genehmigt haben.
Meine Mutter packte ein paar Tage nach der Hochzeit einen großen Koffer mit ihrer Kleidung und zog von einem Ende von Karatschi zum anderen. Von nun
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