Gruenkohl und Curry
oder Witwe«.
Eine »Mitgift« ist auf »Rs. 25.000,–, in Worten: fünfundzwanzigtausend Rs.« festgelegt, wobei das Wort falsch übersetzt ist: Es handelt sich nicht um die Summe, die einer der Partner in die Ehe einbringen muss, also um die eigentliche Mitgift, sondern um jenen Betrag, den mein Vater meiner Mutter zahlen muss, wenn er sich von ihr trennt.
Meine Mutter merkt spitz an, dass ihre Schwester Suraiya, die ein paar Jahre vor ihr geheiratet hatte, hunderttausend Rupien in ihrem Vertrag stehen hat.
»Da bin ich gut weggekommen, was?«, sagt mein Vater amüsiert und lacht.
Damals war die pakistanische Rupie noch viel wert, die vereinbarte Summe, die mein Vater hätte zahlen müssen, entsprach mehr als sechstausend Mark. Heute sind fünfundzwanzigtausend Rupien nur noch etwa zweihundertfünfzig Euro wert. Nach pakistanischem Recht könnte er sich für diesen Betrag scheiden lassen. Weitere Ansprüche hätte meine Mutter nicht – keine Unterhaltszahlungen, nichts.
Die eigentliche Mitgift, die meine Mutter in die Ehe einbrachte, bestand aus ein paar Möbeln. »Die Mitgift liegt ganz im Ermessen der Brauteltern«, sagt sie mir. Suraiya, die so etwas wie die Verhandlungsführerin meiner Mutter war, versprach der Familie meines Vaters, man würde exklusive Möbel von einem der besten Tischler in Karatschi anfertigen lassen. Aber dann wurde Suraiya klar, dass das ja gar nicht nötig war – das Paar würde sowieso bald ins Ausland gehen und sicher keine Möbel mitnehmen. Wozu also teure Stücke als Mitgift?
Sie bestellte im Auftrag ihrer Eltern günstigere Sachen, ohne die Änderung des Deals der Familie meines Vaters mitzuteilen. Eine Schwester meines Vaters soll das später kritisch angemerkt haben.
Meine Mutter erinnert sich, dass sie ihren Mann an diesem Tag erst nach dem Unterzeichnen des Ehevertrags sehen durfte. »Wir wurden jeweils von unseren Familien in den Festsaal geführt und durften dort auf einer Bühne nebeneinander Platz nehmen.« Das Paar wurde mit Jubel und Gesang begrüßt.
Doch viel zu sehen gab es für die beiden nicht: Das Gesicht meines Vaters war von einem Vorhang aus Rosen verdeckt, meine Mutter hatte, wie es sich für eine Braut gehört, den Schleier ihres roten Saris tief ins Gesicht gezogen. Sie blickte ohnehin die ganze Zeit etwas verschämt nach unten. Nur aus den Augenwinkeln konnte sie hier und da einen Blick auf ihren Mann und auf die Festgesellschaft werfen. Meinem Vater in seinem
Sherwani
, einem Anzug aus knielanger Jacke und enger Hose, war es immerhin vergönnt, im Laufe des Abends den Rosenvorhang abzunehmen.
Das Chaos von Karatschi setzte sich auch am Tag der Hochzeit fort. Es war, wie so oft, zu Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten gekommen. »Als wir zum Hotel fuhren, sahen wir, wie ein Tanklastzug in Brand gesetzt wurde und explodierte«, erinnert sich Tante Safia. »Benzin war ausgelaufen und es brannte auf der ganzen Straße. Wir mussten den Flammen ausweichen und sind so schnell wie möglich zum Hotel gerast.« Manche Gäste waren daher alles andere als entspannt zur Hochzeit erschienen. Andererseits: Sie kannten das Leben in Karatschi, wussten, dass Gewalt, Verbrechen, Naturkatastrophen, Stromausfälle und Wassermangel in dieser Stadt gottgegeben sind. Wozu sich über Explosionen aufregen, wo doch so köstliches Essen aufgefahren wurde?
Hochzeitsfoto meiner Eltern
Meine Eltern bekamen von der Aufregung in der Stadt nichts mit, sie waren mit ihrer eigenen Aufregung beschäftigt. In den Gesichtsausdruck meiner Mutter mischte sich eine gute Portion Trauer: darüber, dass sie mit ihrer Hochzeit ihre Familie verließ und von nun an zur Familie ihres Mannes gehörte. Dieser Ausdruck ist auf den Hochzeitsfotos verewigt.
Eine wohl noch tiefere Trauer erfasste Manzoor Ali Naqvi: Von nun an hatte er keinen Einfluss mehr auf das Leben seiner Tochter. Fortan schrieb meine Mutter in Formularen im obligatorischen Feld »Vater oder Ehemann« – dieses Feld füllen Frauen in pakistanischen und indischen Formularen bis heute aus – einen anderen Namen als bisher, nämlich den ihres Mannes. Und sie selbst legte mit der Hochzeit ihren Familiennamen ab: Von nun an hieß sie nicht mehr Nasreen Manzoor Ali, sondern Nasreen Kazim.
Nach dem Essen, nach Tanz und Gesang, folgte am späten Abend die
Rukhsati
-Prozedur: Erstmals verlässt das Paar, nun offiziell verheiratet, gemeinsam eine Feier. Rukhsati symbolisiert den Auszug aus dem Elternhaus und den Einzug der Braut ins
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