Gruenkohl und Curry
See fuhr. Sie musste sich also darauf einstellen, künftig immer wieder monatelang alleine zu sein, während ihr Mann in der Welt unterwegs war. Noch dazu in Deutschland, wo sie niemanden kannte, wo die Kultur so fremd war? »Mir machte dieser Gedanke keine Angst. Vielleicht war das naiv, aber ich habe mir wirklich keine Sorgen gemacht.«
In der Familie meiner Mutter gibt es noch eine andere Version der Geschichte vom Zusammenkommen meiner Eltern: Demnach traf mein Vater meine Mutter schon Anfang 1973 während eines Urlaubs, ließ dann aber über ein Jahr lang nichts von sich hören. Er wartete ab – ohne die Zustimmung seiner Familie wollte er nicht heiraten. Seine Schwestern prüften, ob sich nicht doch eine andere Frau für ihren Bruder fand. Sie waren sehr, sehr kritisch – und für ihren kleinen Bruder war keine Frau gut genug.
Manche in der Familie meiner Mutter tragen das den Schwestern meines Vaters heute noch nach.
»Das war nicht sehr nett«, sagen sie.
Meine Mutter war ärgerlich darüber, so lange nichts zu hören – und schrieb ihn in Gedanken ab; sie ahnte nicht, dass er sich eigentlich längst für sie entschieden hatte und nur die Schwestern noch zögerten.
Eines Tages räumte eine Schwester meiner Mutter Altpapier weg, da flog aus dem Stapel Zeitungen ein Foto meines Vaters heraus: ein junger Mann in Marineuniform.
»Das ist deins«, sagte die Schwester und gab meiner Mutter das Bild, das beim ersten formellen Treffen überreicht worden war.
»Was soll ich damit? Ich will es nicht!«, antwortete meine Mutter verärgert und warf das Foto von sich.
Schon flog das Bild durch die Hände der Geschwister, die, durch die barsche Reaktion neugierig geworden, alle einen Blick auf das Foto werfen wollten.
Am Ende landete es mit den Zeitungen im Müll.
Mein Vater in Marineuniform – mit diesem Bild warb er um meine Mutter
Zufälligerweise meldete sich mein Vater ein paar Tage danach bei meiner Mutter, um sie erneut um ein Treffen zu bitten. Meine Mutter zögerte, stimmte dann aber doch zu. Dieser Geschichte zufolge kam es erst sehr lange nach dem ersten Treffen zu einem offiziellen Heiratsantrag.
Wie auch immer es sich zugetragen hat – beide Seiten erklärten sich einverstanden. Erst jetzt informierten die Geschwister von Nasreen und Hasan jeweils ihre Eltern. An den Eltern meines Vaters lag es nun, den nächsten Schritt zu machen: Telefonisch baten Kazim Ali Khan und Afsar Begum um einen Termin bei den Eltern meiner Mutter.
Am Tag der Verabredung kam Manzoor Ali Naqvi absichtlich zu spät von der Arbeit zurück. Er blieb einfach im Büro. Was fiel seiner Tochter nur ein? Warum musste sie unbedingt heiraten? Nun saßen da die Eltern irgendeines Burschen in seinem Wohnzimmer und hielten um die Hand seiner Tochter an!
Qamar Jehan war ärgerlich. Wo blieb er nur? Er wusste doch, dass er pünktlich zu Hause sein sollte. Meine Mutter bekam von alldem nichts mit – sie saß oben mit ihren Schwestern in ihrem Zimmer und wartete darauf, dass die Sache irgendwann vorbei war.
Erst spät, als es schon dunkel war, wagte Manzoor Ali Naqvi sich nach Hause, in der Hoffnung, dass die Eltern des Jungen wieder verschwunden wären. Er schlich um das Haus herum, ging in den Garten und schaute durchs Fenster ins Wohnzimmer – da saßen sie immer noch, ein älterer Herr mit seiner Frau. Aber wer war denn das? Kannte er den Mann nicht? Er betrat das Haus zur Verwunderung seiner Frau und der Gäste durch den Terrasseneingang.
»Kazim Ali Khan? Was machen Sie denn hier?«
Mein Großvater, der nervös auf dem Sofa dieser fremden Leute saß, war verblüfft. »Ach, Manzoor Ali Naqvi, was für eine Überraschung! Ich wusste gar nicht, dass wir bei Ihnen zu Besuch sind!«
Die beiden kannten sich tatsächlich – schließlich standen beide im Dienst der Stadt Karatschi und man war sich bei der einen oder anderen Gelegenheit schon begegnet. In beiden Familien waren die Namen der Eltern zwar genannt worden, doch keinem war bewusst geworden, dass man sich flüchtig kannte.
Gemeinsam verbrachten sie noch einige Stunden im Wohnzimmer und sprachen über ihre Kinder. Manzoor Ali Naqvi entschuldigte sich für sein Zuspätkommen und verwies auf die Arbeit, die noch hatte erledigt werden müssen.
»Was meinst du?«, fragte Qamar Jehan am späten Abend ihren Mann, als die Eltern meines Vaters nach Hause gefahren waren.
»Was soll ich schon sagen?«, antwortete Manzoor Ali Naqvi mürrisch. »Ihr habt euch doch längst ohne
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