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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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Es sollte noch einige Jahre dauern, bis meine Mutter den ersten richtigen Deutschunterricht bekam.
    Mein Vater musste häufig nachts Wache gehen und meine Mutter begleitete ihn auf die Brücke. »Das war eine schöne Zeit, oft waren der Kapitän und ein weiterer Offizier dort und unterhielten sich mit uns. Sie erzählten mir einiges von Deutschland. Zwischendurch kam immer wieder ein Steward vorbei und brachte belegte Brötchen, Tee und Kaffee.«
    Die »Steinfels« lief in dieser Zeit irakische, iranische und kuwaitische Häfen an und blieb jeweils für einige Tage. Damals wurden die Liegezeiten noch in Tagen gerechnet, nicht in Stunden wie heute, wo Seeleute kaum noch die Chance auf einen Landgang haben. Es blieb also genügend Zeit, die Gegenden jenseits der Häfen zu erkunden.
    Irak, Iran, Kuwait waren Mitte der Siebzigerjahre äußerst attraktive Reiseziele, mit wunderschönen Märkten und Basaren, auf denen es noch buntere Stoffe, noch üppigeren Schmuck, noch süßere Früchte zu kaufen gab als in Pakistan. Iran hatte die islamische Revolution noch nicht erlebt, der Schah von Persien regierte und Irak und Iran führten noch keinen Krieg gegeneinander. Meine Mutter genoss ihren ersten Ausflug in die weite Welt. An Bord feierte sie im Juni ihren dreiundzwanzigsten Geburtstag, die Besatzung schenkte ihr eine große Dose englischer Pralinen: »Quality Street«, ihre Lieblingsmischung. Hatte sie Heimweh? »Nein.«
    Am meisten erstaunte meine Mutter die Mode in Kuwait. »Die Frauen trugen extrem kurze Miniröcke, es waren eben die Siebziger.« Dort gefielen den Besatzungsmitgliedern die Ausflüge an Land besonders gut. »Einmal gingen sie in eine Parfümerie, wo die Verkäuferinnen alle Miniröcke trugen.« Die Flakons, erinnert sie sich, waren in einem Regal bis zur Decke aufgereiht. Die Männer ließen sich mit Vergnügen die Parfüms aus den obersten Regalen zeigen. Mein Vater traute sich solche Späße natürlich nicht, was sollte seine gerade angetraute Ehefrau von ihm denken?
    Auch Irak und Iran waren moderne Gesellschaften, die Menschen lebten ein freies Leben, machten einen glücklichen Eindruck. Wann immer meine Eltern von dieser Zeit erzählen, habe ich das Gefühl, sie reden von zwei ganz anderen Ländern als jenen, die ich unter den Namen Irak und Iran kenne. Diese Länder sind Beispiele dafür, was die unheilvolle Kombination von schlechten Politikern, religiösen Fanatikern und Weltmachtinteressen anrichten kann.
    Mit der Zeit sah man meiner Mutter ihren Kugelbauch an: Sie war schwanger. Im Juli 1974 war dieser Umstand so deutlich sichtbar, dass der Kapitän sie bat, das Schiff möglichst bald zu verlassen. Sie brauche medizinische Versorgung und er könne nicht die Verantwortung für eine schwangere Frau an Bord übernehmen. Meine Mutter hatte nach drei Monaten auf See ohnehin genug vom Leben auf dem Wasser. Sie verabschiedete sich noch im Juli, als die »Steinfels« in Karatschi einlief. »An meinem letzten Tag an Bord gab es eine Grillparty. Der Kapitän hatte Schüler der Deutschen Schule zu einem Empfang eingeladen, lauter Zehnjährige tobten auf dem Schiff herum.«
    Es sind Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Die »Steinfels« ist verschrottet, die Deutsche Dampfschifffahrtsgesellschaft Hansa pleite und auch die Deutsche Schule in Karatschi gibt es seit 2001 nicht mehr.
    Kürzlich habe ich den Schiffsingenieur Uwe Teerling ausfindig gemacht. »Ich glaub es ja nicht!«, sagte er am Telefon, als er erfuhr, dass ich der Sohn seines alten Kollegen Hasan Kazim bin, derjenige, mit dem meine Mutter damals an Bord schwanger war. »Und ich dachte, ihr wärt längst nicht mehr in Deutschland. Habt ja bald dreißig Jahre nichts von euch hören lassen.«
    Er war es, der meiner Mutter die Pläne, sofort nach London zu ziehen, ausgeredet hatte. Sie hatte sich England in den Kopf gesetzt, weil dort der Halbbruder meines Vaters mit seiner Familie lebte, außerdem hatte einer ihrer Brüder am King’s College in London studiert und ihr von der Stadt vorgeschwärmt. Allerdings verlangten die Briten von Pakistanern ein Visum. Nach Deutschland konnte man 1974 dagegen noch ohne Visum fliegen, man bekam es direkt bei der Einreise, gültig für drei Monate. »Siehst du, das ist viel einfacher, außerdem ist dein Mann doch viel öfter in Deutschland als in England«, überzeugte Teerling sie damals. »Meine Frau Heidi kann dir eine Wohnung in Delmenhorst besorgen.«
    Delmenhorst. Ein komischer Name für einen Ort,

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