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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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wollte. Darauf gingen die Richter aber mit keinem Wort ein. Die Arbeitslosigkeit meines Vaters zu erwähnen, war daher geradezu absurd. Offensichtlich fanden die Richter auch, dass man einen Seefahrer bedenkenloser abschieben kann als zum Beispiel einen Lehrer oder einen Ingenieur, weil ein Seemann sich ja ohnehin schnell umgewöhnen kann.
    In einer früheren Urteilsbegründung hatten die Richter in Stade eine Formulierung über meinen Vater gefunden, die in unserer Familie und in unserem Freundeskreis bis heute in Erinnerung geblieben ist:
»Er ist Seemann. Die Heimat eines Seemannes ist das Meer.«
    Ob die Heimat eines Piloten die Luft ist?
    In derselben Urteilsbegründung hieß es ein paar Absätze später:
»Die Versagung einer gemeinsamen Aufenthaltserlaubnis für beide Kläger bleibt ohne Einfluß auf den Familienzusammenhalt. Sie zerstört keine gemeinsamen Zukunftsvorstellungen und Erwartungen, die für die Kläger bei der Eheschließung im Januar 1974 grundlegend gewesen sind.«
    Ich frage mich, woher die Richter die Zukunftsvorstellungen und Erwartungen meiner Eltern kennen wollten. Wussten sie, dass meine Mutter schon immer ins Ausland, in den Westen wollte?

    Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits Seemann und unterlag berufsbedingt gelockerten Familienbindungen. Die Klägerin hat sich mit Eheschließung die berufstypisch notwendige überwiegende Trennung von ihrem Ehemann selbst zugemutet. Diese Lebensverhältnisse treffen die Kläger in der Bundesrepublik und in Pakistan gleichermaßen. Insoweit bietet ihnen ein gemeinsamer Aufenthalt in der Bundesrepublik wegen der Beschäftigung des Klägers bei einem deutschen Reeder nur einen Standortvorteil zur besseren Ausnutzung der Urlaubszeiten. Diesem verständlichen Wunsch der Kläger ist nicht zwingend durch eine Aufenthaltserlaubnis Geltung zu verschaffen, sondern mag durch den Kläger selbst erreicht werden, indem er in Pakistan anheuert.

    Über meine Mutter schrieben die Lüneburger Richter weiter:
»Die Klägerin hat, von ihrem ersten Besuchsaufenthalt in Deutschland während des Lehrganges des Klägers an der Seefahrtschule abgesehen, Pakistan erst im November 1977 verlassen.«
    Jetzt zählten die ersten eineinhalb Jahre meiner Mutter in Deutschland ab 1974 plötzlich nicht mehr.

    Sie ist ihrer Heimat nicht so entfremdet, daß sie sich nicht alsbald wieder dort eingewöhnen könnte. Von beiden Klägern kann darüber hinaus erwartet werden, daß sie in Erfüllung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgabe ihren Kindern den Übergang in die Verhältnisse ihrer Heimat erleichtern und auf diese Weise die befürchteten »schweren psychischen Schäden (Schockwirkung)« der Rückkehr in das noch unbekannte Heimatland vermeiden.
    Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesem Komplex bedarf es nicht. Da alle Familienangehörige pakistanische Staatsangehörige sind und gemeinsam in die Heimat zurückkehren
werden, gebietet auch der mit Grundrechtsrang ausgestattete Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) nicht eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

    Das Fazit:
»Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis erweist sich als ermessensfehlerfreie Entscheidung.«
    Klage abgewiesen.

    Bereits nach der ersten Niederlage vor Gericht rieten Freunde meinen Eltern, sich an den Pastor von Lühekirchen, Wolf-Dietrich Lochte, zu wenden. »Jetzt kann nur noch er euch helfen«, meinten sie. Lochte sei ein sehr einflussreicher Mann mit guten Kontakten zur Kommunalpolitik. Es hieß, er sei zwar kein allzu frommer Typ und mindestens genauso sehr Politiker wie Geistlicher, trinke außerdem gern Whisky, habe aber einen direkten Draht zu Gott. Und das könne uns in unserer Lage ja nur dienlich sein.
    Lochte lebte in dem Pastorenhaus gegenüber der Grünendeicher Kirche, nur wenige hundert Meter von der Seefahrtschule entfernt, die mein Vater ein paar Jahre zuvor besucht hatte.
    Ich weiß nicht, wann meinen Eltern erstmals der Gedanke kam zu konvertieren. Es war jedenfalls vor der Begegnung mit Pastor Lochte. Meine Mutter kannte das Christentum ja schon aus der Zeit in ihrer Klosterschule. Nun waren fast alle Freunde meiner Eltern in Deutschland evangelische Christen, viele von ihnen sehr gläubig. Und viele standen den Christdemokraten nahe. Ich weiß nicht, wie oft ich den Spruch gehört habe, Kanzler Helmut Schmidt sei ja ein guter Kanzler, aber leider in der falschen Partei. Die meisten wählten später Helmut Kohl. Vielleicht war es Zufall, dass meine Eltern in

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