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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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Vater mit Unterbrechungen schon seit immerhin zwanzig Jahren in Deutschland lebte beziehungsweise auf deutschen Schiffen zur See fuhr, dass meine Mutter seit bald acht Jahren hier war, dass wir Kinder hier geboren und aufgewachsen waren, all das zählte nicht.
    Wenigstens erhielt mein Vater nun jedes Vierteljahr eine Arbeitserlaubnis, die ihm aber, ohne dass er je die Gründe erfuhr, oft entzogen wurde. Willkürlich, ohne Ankündigung. Juristisch war das korrekt, wie die Gerichte bestätigten. Dann durfte er ein paar Wochen lang nicht arbeiten, seine Reederei entließ ihn, schrieb Briefe an die Behörden, dass sie ihn dringend brauche, und nach einiger Zeit durfte er doch wieder arbeiten. Während dieser Zeit lebten wir von Ersparnissen. Meine Eltern fühlten sich behandelt wie Menschen zweiter Klasse. Geduldet, in die Armut gezwungen, verpflichtet, sich alle paar Wochen zu melden und um eine Verlängerung der Duldung zu bitten. Guten Tag, hier sind wir wieder, wir sind noch nicht untergetaucht in die Illegalität. Wir müssen Sozialhilfe beantragen, weil mein Mann nicht arbeiten darf, obwohl es Arbeit bei den Reedereien gibt. Was? Keine Sozialhilfe? Wir haben zu viele Ersparnisse? Und was ist mit den Schulden?
    In Deutschland nur geduldet

    Arbeitslosengeld wollte man ihm auch nicht zahlen. Anfang 1983 musste mein Vater dagegen klagen, um eine finanzielle Überlebenschance zu haben, seine Gewerkschaft übernahm die Kosten – er gewann den Prozess vor dem Arbeitsgericht.
    Ging es um seine Arbeitserlaubnis, war ich hin- und hergerissen: Einerseits wünschte ich sie ihm, damit er Geld verdienen konnte und glücklich war. Andererseits wünschte ich mir einen Vater, der wie die Väter meiner Freunde morgens ins Büro ging und abends wieder nach Hause kam. Hatte mein Vater Urlaub, war er zwar zwei, drei Monate zu Hause. Aber wenn er aufs Schiff musste, verschwand er für vier, manchmal für sechs Monate aus meinem Leben. Als Kind war ich regelmäßig ein halbes Jahr lang vaterlos. Und die Trennung musste ich jedes Mal aufs Neue verkraften. Ich hasste die Abschiede. Ich hasste die Zeit, in der ich ihn nur einmal in der Woche mit Knistern und Rauschen in der Leitung für ein paar Minuten am Telefon hörte, mal aus Schweden, mal aus Frankreich, dann aus Portugal. Ich hasste den Beruf meines Vaters.
    Für mich hatte er nur drei Vorteile: erstens die Berge an schönen Postkarten aus verschiedenen Ländern, zweitens die Sammlung an Münzen und Geldscheinen aus der ganzen Welt, die im Laufe der Jahre zusammenkam, und drittens die Tatsache, dass ich meinen Freunden immer die wildesten Geschichten aus entlegenen Gegenden der Erde erzählen konnte – vieles davon war freilich Seemannsgarn. Meine Freunde beneideten mich um meinen Seefahrervater. Sie dachten, ich konnte, wann immer es mir gefiel, mitfahren. Aber das ging nur vor meiner Einschulung – danach nicht wieder.
    Heute füllen die Postkarten zwölf dicke Alben, meine Eltern haben sie alle aufbewahrt: Karten mit Flugzeug-, Schiffs- und Tiermotiven, und später, als ich älter geworden und mein Interesse an diesen Dingen geschwunden war, mit Bildern aus den jeweiligen Ländern, außerdem Grußkarten zu Ostern, Weihnachten und diversen muslimischen Festen:
»Lieber Hansi, ich wünsche Dir ein schönes neues Jahr! In drei Monaten bin ich wieder zu Hause, das geht ganz schnell, dann drücke ich Dich! Grüße Mama und Zahra ganz doll von mir! Bis bald, Dein Bap.«
    Warum konnte mein Vater nicht Polizist sein, wie der von Sabine?
    Trotz der finanziellen Schwierigkeiten sollte es uns Kindern an nichts fehlen. Meine Eltern meldeten meine Schwester zum Ballett an und mich zum Klavierunterricht, obwohl sie nur wenig Geld hatten.
    Von den Einschränkungen spürte ich wenig: Markenklamotten spielten damals keine Rolle, außerdem war meine Mutter sehr modebewusst und konnte gut nähen. Später lernte sie zu stricken, und so kleidete sie uns Kinder immer gut mit selbst gemachten Sachen ein, die vor allem von den Müttern meiner Freunde bewundert wurden. Meine Mutter selbst machte alle schlimmen modischen Wandlungen der Achtzigerjahre mit, Frisuren eingeschlossen. Noch nie hatte die Modebranche, hatten die Designer so versagt wie in diesem Jahrzehnt. Kollektive Geschmacksverirrung.
    Ein einziges Mal war es mir peinlich, dass wir nicht besonders viel Geld hatten: als Frau Ferch in der Schulklasse Gutscheine für Lehrbücher verteilte. Waren die fünfzig Mark wert? Ich weiß es nicht mehr

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