Gruenkohl und Curry
ist«.
Unter diesen Umständen, schrieben die Richter, hätten meine Eltern
»zu keinem Zeitpunkt auf eine weitere Aufenthaltserlaubnis vertrauen dürfen«.
So weit verstehe ich die Begründung: Es hatte mal einen Grund gegeben, meinen Eltern den Aufenthalt hier zu gestatten. Es war ihnen klargemacht worden, dass sie nur befristet bleiben durften. Mein Vater hatte seine Ausbildung beendet und daher gab es aus Sicht der Ausländerbehörde keine Notwendigkeit mehr, uns ein Leben in Deutschland zu erlauben.
Die weitere Urteilsbegründung verwunderte meine Eltern und ihre Freunde sehr – und mich heute ebenfalls. Es wurde so getan, als sei es verwerflich, als Ausländer dauerhaft in Deutschland bleiben zu wollen. Jahrelang holte Deutschland Ausländer ins Land, damit diese mit anpackten – und jetzt wunderte man sich, dass diese Leute bleiben wollten?
Wie die Kläger nicht verhehlen, erstreben sie nunmehr einen Aufenthalt auf unabsehbare Zeit und damit entgegen den Zwecken, deretwegen er erlaubt worden ist, einen Daueraufenthalt. (...) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts läuft es regelmäßig Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, wenn ein seiner Natur nach nur vorübergehender Aufenthaltszweck dazu benutzt wird, einen Aufenthalt auf unabsehbare Zeit und damit im praktischen Ergebnis eine Einwanderung zu erwirken.
Warum lief das deutschen Interessen zuwider? Obwohl mein Vater eine gesuchte Arbeitskraft war? Der Beamte mit dem Schnurrbart hatte meinen Eltern mehrfach gesagt, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Aber meine Familie wollte genau das: einwandern. Nacheinander bestätigten mehrere Arbeitgeber meinem Vater, dass sie ihn benötigten. Warum also war Einwanderung nicht möglich?
Die Richter am Oberverwaltungsgericht begründeten das folgendermaßen:
Die Bundesrepublik hat seit vielen Jahren Ausländer in großer Zahl aufgenommen und ihnen einen Daueraufenthalt ermöglicht. Hierdurch sind erhebliche wirtschaftliche und soziale Probleme erwachsen. Insbesondere bereitet es Schwierigkeiten, die hier dauernd lebenden und zum Teil aus fremden Kulturkreisen stammenden Ausländer mit ihren Familien angemessen zu integrieren. Die seit langem hohe Arbeitslosigkeit erfaßt vorwiegend die ausländische Bevölkerung. Dies alles verdeutlicht, daß die Fähigkeit der Bundesrepublik Deutschland, Ausländer für dauernd aufzunehmen, begrenzt ist und eine solche Aufnahme nur unter besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt werden kann. Wenn auch nicht jeder Daueraufenthalt von Ausländern eine Belangbeeinträchtigung darstellt, läuft doch der – gewissermaßen schleichende – Übergang von einem unbedenklichen vorübergehenden Aufenthalt zu Ausbildungszwecken zu einem Daueraufenthalt den Belangen der Bundesrepublik Deutschland zuwider. Gerade diesen ausländerrechtlich nicht gestatteten Übergang betreiben die Kläger.
Die Richter wiesen außerdem noch darauf hin, dass meine Mutter 1977 nur zu Besuchszwecken nach Deutschland gereist sei und nur deshalb ein Visum erhalten habe.
Aber was genau war so unerhört daran, dass sie ihre Meinung geändert hatte und nun nicht mehr nur zu Besuchszwecken, sondern für immer bleiben wollte? Sie mochte, genau wie mein Vater, das Land – wo war das Problem? Lag es daran, dass nicht jeder dort bleiben darf, wo es einem gefällt, selbst dann nicht, wenn man einen Job hat und sich in die Gesellschaft einfügt? Dass man verhindern wollte, einen Präzedenzfall zu schaffen? Dass man vergessen hatte, eine Regelung für all jene »Gastarbeiter« zu finden, die in Deutschland bleiben wollten? Dass es in Deutschland keine Einwanderungsregelung gab? Hatte die Politik verschlafen?
Vor allem die Anmerkung, es gebe Probleme bei der Integration und Ausländer seien stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Deutsche, traf auf meine Eltern ja nun nicht zu.
Die Richter sahen es im Falle meiner Eltern so:
Inzwischen mag zwar eine gewisse tatsächliche Integration in die Lebensverhältnisse ihres Aufenthaltsortes erreicht worden sein. Diese schließt aber nicht aus, daß die Kläger sich nach einer Rückkehr in ihre Heimat alsbald wieder in die dortigen Verhältnisse einfinden. Der Kläger ist derzeit ohne Arbeit. In seinem Beruf als Seemann ist er ohnehin darauf angewiesen, sich jeweils neuen Lebensumständen anzupassen.
Natürlich war mein Vater ohne Arbeit, schließlich war es der Landkreis, der ihm keine dauerhafte Arbeitserlaubnis erteilen
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