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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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lag. Doch ehe sie sie aufgehoben hatte, war Howie schon tot.
    Sie wollte die Waffe schon sinken lassen, bemerkte aber plötzlich die dunkle Gestalt, die auf der Straße herbeilief. Sie sah die Armbrust und dachte keinen Moment lang darüber nach, was sie tat. Sie hob die Waffe mit beiden Händen und zog den Hahn durch.
    Die .38er bäumte sich in ihrer Hand auf, und sie ließ die Waffe fallen. Der Schuß ging ins Leere. Der Mann mit der Armbrust warf sich zu Boden, kam aber wenig später vorsichtig hoch. Er legte die Armbrust ins Gras und hob beide Hände. »Ich bin auf Tonys Seite!« rief er.
    Alis Hände schmerzten noch vom heftigen Rückschlag der Waffe. Trotzdem bückte sie sich nach der Pistole und hob sie auf, wobei sie krampfhaft versuchte, ein Zittern zu unterdrücken. »Wie ... wie können wir da sicher sein?«
    Mally kroch hinter Howies Leiche hervor und spähte mit ihren Katzenaugen zu dem Fremden hinüber.
    »Herrgott noch mal, du kannst ihn fragen. Ich bin hier, um ihm zu helfen und nicht, um mit kleinen Mädchen Krieg zu spielen.«
    Ali runzelte die Stirn. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. »Mally?« fragte sie leise.
    Das wilde Mädchen zuckte mit den Schultern, ohne auch nur einen Moment den Blick von dem Fremden zu wenden. Er sah zu ihnen herüber und fragte sich, wie er die Sache angehen sollte. Jeden Augenblick konnte das blonde Mädchen erneut die Waffe abfeuern und ihn mit etwas Glück vielleicht sogar erwischen. Und was das andere Mädchen anging ... es hatte zwar die Größe eines Kindes, aber er hatte beobachtet, wie es den anderen Burschen fertiggemacht hatte, hinter dessen Körper es sich jetzt duckte.
    »Hört zu«, sagte er ruhig. »Warum fragt ihr nicht einfach Tony, okay?«
    »Wonach?«
    Alle drei wandten sich beim Klang der neuen Stimme um.

    Tony legte den Hörer auf, ergriff die UZI sowie eine Taschenlampe und ging hinaus, um einen Kontrollgang über sein Grundstück zu machen. Er nahm sich Zeit dafür, ließ die Lampe ausgeschaltet und versuchte, sein lahmes Bein so wenig wie möglich zu belasten.
    Die Nachricht, Louie Fucceri habe schon vor seinem Haus gestanden, hatte ihn fast am Boden zerschmettert. Er hatte sich immer für einen fähigen Kopf gehalten, jederzeit in der Lage, mit allem fertig zu werden, was die Magaddinos gegen ihn unternahmen. Doch jetzt mußte er feststellen, daß er in den vergangenen Jahren sein Gefühl für solche Dinge verloren hatte. Er hatte den Instinkt des Jägers verloren, der ihn so lange am Leben erhalten hatte.
    Er mußte ihn sich unbedingt wieder aneignen, wenn er überleben wollte, wußte aber nicht, ob ihm das gelingen würde. Es lag ja nicht nur daran, daß er den Kontakt mit dieser Welt und dem Leben in der Familie verloren hatte, nein, auch in seinem Innern hatte sich etwas grundlegend verändert - für immer.
    Er war ein harter Brocken gewesen. Ein Jäger. Doch jetzt war er anders. Er konnte zwar immer noch wütend werden, war vermutlich immer noch knallhart und zäh, aber er war nicht mehr derselbe. Früher hatte der padrone ihm gesagt, was er zu tun hatte. Er war wie eine tödliche Waffe in der Hand des Don gewesen und hatte die Dinge erledigt, die zu tun waren. Doch jetzt bemühte er den eigenen Kopf, und Nachdenken machte einen langsam.
    Er wollte nicht mehr der sein, der er einmal gewesen war, er zog es vor, der Mensch zu sein, zu dem er inzwischen geworden war - und immer noch wurde. Aber da gab’s ein paar unerledigte Dinge. Er wollte zwar nicht, war aber gezwungen, sich darum zu kümmern. Sein Problem dabei: Er wußte nicht mal mehr, ob er es konnte. Denn er folgte jetzt etwas anderem, er folgte dem Mysterium.
    Das Mysterium war die Ursache für alles, wurde ihm plötzlich bewußt. Die Musik hatte einen Heilungsprozeß in ihm ausgelöst, aber es war das Mysterium, das diesen Prozeß vollendete. Das Mysterium - und die Treasures. Erst als er Ali begegnete, war ihm klargeworden, was er in seinem Leben vermißte. Sie war es gewesen, die tief vergrabene Gefühle in ihm geweckt hatte, sie und ihre Mutter. Schön, vielleicht hatte er kein Anrecht auf Frankie, aber schon die Tatsache, eine solche Frau zu kennen, erzeugte in ihm ein gutes Gefühl.
    Er würde hierbleiben. Und er würde Frankie helfen. Er würde Ali zurückholen, wer oder was auch immer sie entführt haben mochte, was das Mysterium auch wirklich sein mochte, und sicherstellen, daß niemand und nichts ihr und ihrer Mutter jemals wieder Kummer machte.
    O ja, Tony, dachte er,

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