Grünmantel
herab, konnte aber in seinen Augen keinerlei Vorwurf feststellen.
»Ich konnte es nicht tun«, sagte sie leise.
»Es ... ist ... okay ...«
»Mann«, spottete Earl, »der Himmel hängt voller Geigen! Mach schon, Frankie! Wir müssen verschwinden. Bald wird’s hier von Cops nur so wimmeln. Vielleicht finden sie deinen Freund ja noch rechtzeitig, und vielleicht lebt er noch lange genug, daß man ihm den Prozeß machen kann. Sie werden ihn einlochen und den verdammten Schlüssel wegwerfen, wenn sie erfahren, wer er wirklich ist. Vielleicht sollte ich doch ...«
Er hob die Pistole und zielte auf Valentis Kopf, als er links aus dem Wald etwas auf sie zukommen hörte. Himmel, dachte Earl, das ist wieder dieser verdammte Hirsch. Er drehte sich um und hob die Pistole, doch ehe er schießen konnte, vernahm er einen peitschenden Knall, und etwas traf ihn mit der Wucht einer Dampframme in die Seite.
»Was zum Teufel ...?« Ungläubig starrte er auf seine Waffe und drehte sich dann langsam zu Valenti und Frankie um. Valenti gab einen zweiten Schuß aus seiner .38er ab. Diesmal traf die Kugel Earl mitten in die Brust und hob ihn von den Füßen. Er sackte zusammen und war schon tot, ehe sein Körper auf dem Boden aufschlug.
»Sie ... konnten es ... vielleicht ... nicht ... tun ...«, sagte Valenti stockend und ließ die Waffe aus der Hand gleiten. Er wußte nicht, woher er die Kraft genommen hatte, das Ding hochzuheben. »Aber ... ich ... ich konnte es ... ich mußte es ... Frankie ... verstehen Sie?«
»Nicht sprechen!« rief Frankie. »Nicht bewegen! Ich rufe den Krankenwagen.«
»Sie müssen ... Sie müssen hier verschwinden.«
»Er hat recht.«
Beim Klang der fremden Stimme fuhr Frankie herum. Im Schein der Flammen erkannte sie das wilde Mädchen, mager und abgerissen wie immer. Dicht unter dem Haaransatz schauten die beiden kleinen Hörner hervor, an die Frankie sich so gut erinnerte. Mally hatte das Geräusch im Wald verursacht und Earl damit abgelenkt.
»Mally?« Frankie schaute an Mally vorbei und suchte Ali. Aber das wilde Mädchen war offenbar allein. »Du hast mich nicht verstanden. Wir müssen ihn ins Krankenhaus schaffen.«
Mally schüttelte den Kopf. In der Ferne heulte eine Sirene.
»Ich möchte nicht ... daß Sie hier sind, wenn ... die Cops kommen«, stammelte Valenti. »Bitte, Frankie.«
»Ich gehe nicht weg.«
»Sie müssen«, sagte Mally. »Und ich nehme ihn mit.«
Das wilde Mädchen ging auf Valenti zu, doch Frankie stellte sich ihm in den Weg. »Du verstehst es tatsächlich nicht. Er ist angeschossen und schwerverletzt. Gott weiß, was geschieht, wenn wir ihn bewegen. Er hat jetzt schon viel Blut verloren ...«
Mally sah Valenti an und bemerkte, daß das Feuer in ihm niederbrannte - aber es war noch da. »Das Mysterium wird wissen, wie ihm zu helfen ist«, sagte sie. »Und Lewis wird uns ebenfalls helfen.«
Die Sirenen kamen näher.
Mally stieß Frankie beiseite. »Ich werde ihn tragen.«
Die Kraft, mit der Mally sie zur Seite schob, hätte Frankie stutzig machen müssen. Sie traute ihren Augen nicht, wie mühelos das wilde Mädchen Valenti aufhob und auf den Armen trug.
»Ich bin schneller als Sie«, sagte Mally. »Folgen Sie nur dem Pfad, und er wird Sie zu uns bringen. Wenn Sie an den Bach kommen, glauben Sie einfach nicht, was Sie zu sehen glauben. Gehen Sie einfach über die Steine.«
»Aber ...«
»Die ... die Waffen ...«, murmelte Valenti schwach. »Holen Sie ... unsere ... ehe die Cops ... ehe sie kommen.«
»Aber ...«, setzte Frankie erneut an.
»Folgen Sie nur dem Pfad«, wiederholte Mally und deutete mit dem Kopf zu der Stelle, wo er begann. Dann drehte sie sich um und war im nächsten Augenblick im Wald verschwunden.
Frankie starrte verblüfft auf die Bäume, sah und hörte aber nichts mehr außer dem Krachen und Knistern der Flammen und den Sirenen, die sich Valentis Haus näherten. Sie atmete tief durch und machte sich daran, die Waffen einzusammeln.
Sie schlang die UZI um die Schulter, steckte ihre Automatik ins Holster zurück, schob Tonys .38er in die Tasche und zählte zum Schluß das ganze Arsenal. Eine Waffe fehlte. Die Armbrust. Sie holte sie und hatte gerade den Wald erreicht, als ein Streifenwagen der Ontario Provincial Police vor den Ruinen von Valentis Haus zum Halten kam. Als die Polizeibeamten vorsichtig das Haus umrundeten, hatte der Wald Frankie ebenfalls verschluckt.
Seit Tony ihn erschossen hatte, hatte sie kein einziges Mal zu Earl
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