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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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die außerhalb von New York City arbeiteten, aber im Drogengeschäft noch ziemlich neu waren. Earl war keineswegs scharf darauf, zwischen sie und die etablierten Familien zu geraten, aber was sollte man machen? Der Deal jedenfalls war genau seine Kragenweite.
    Die Neuigkeit von Frankies großem Gewinn war der Schuß in den Arm, den Earl noch gebraucht hatte. Er wußte, es würde kein Problem sein, ihr den Kies abzunehmen. Daher hatte er mit den Jungs in New York die Konditionen für den Deal neu ausgehandelt und gleichzeitig die letzten Kontakte auf der kolumbianischen Seite geknüpft.
    In New York war die Sache ziemlich riskant und knifflig gewesen, und er hatte zahlreiche Treffen mit dem consigliere der Magaddino-Familie, Broadway-Joe Fucceri, hinter sich bringen müssen, bis Earl alles nach seinen Vorstellungen durchsetzen konnte. Zur Hölle, kein anderer böte ihnen einen Deal an, wie er ihn für sie arrangiert hatte, zumal sie nicht mal Vorkasse zu leisten hatten. Die Sache sollte Mitte Juni steigen. Earl flog nach Ottawa - und erlebte die erste Schlappe im Ablauf seiner Pläne. Frankie hatte ihre Spur zu gut verwischt und war nicht aufzufinden. Inzwischen fiel es Earl auch schwer, sich in sie hineinzudenken. Irgendwas hatte sich in den letzten Monaten vor ihrer Trennung völlig verändert, und bis heute war er nicht dahintergestiegen, was es gewesen war. Teufel, sie war ebensogern wie er von einer Party zur anderen gezogen. Was konnte die Tatsache, ein Kind zu haben, daran schon ändern?
    Und trotzdem war es so gewesen. Sie wollte nicht mehr, daß seine Freunde in ihrem gemeinsamen Apartment herumhingen. Zu allem Überfluß kam sie auch noch dahinter, daß der Job, für den er jeden Abend das Haus verließ, nichts mit der Säuberung von Bürogebäuden zu tun hatte. Als ob sein Einstieg in dieses Geschäft nicht schon schwer genug war! Zum Teufel - ein Kerl wie er hatte das Recht darauf zu leben, oder etwa nicht? Und den Besen durch das Büro von irgend so ’nem Arschloch zu schieben, war bestimmt kein Leben - zumindest nicht das, was Earl Shaw darunter verstand. Und war es seine Schuld, daß er mit einer Knarre herumlaufen mußte? Das Geschäft auf der Straße war verdammt rauh, und ein Mann mußte seinen Stoff schützen, sonst machten die anderen ihn fertig. Jesus, schließlich war er es doch, der das Geld für die Brötchen nach Hause brachte, oder etwa nicht?
    Doch das interessierte Frankie einen Scheiß. Sie wurde immer zickiger. Schließlich gab es keine Gespräche mehr zwischen ihnen, nicht mal mehr Streit. Eines Morgens war er dann nach Hause gekommen - und sie war weg, mit Sack und Pack in den Westen gezogen, von wo aus sie die Scheidung eingereicht hatte.
    Er wäre ihr gern gefolgt - nur um ihr zu zeigen, wer eigentlich der Boss war -, doch hatte er genau zu dieser Zeit einige Aktionen laufen, die ihn zwangen, wieder einen kleinen Geschäftsausflug nach Kolumbien zu unternehmen. Danach war er eine Zeitlang herumgereist - Miami, L.A., New York, Vancouver, Toronto. Er hatte etwas Speck angesetzt, und sah jetzt nicht mehr aus wie der dürre Hippie, der vor Ewigkeiten in der Drogenszene Fuß zu fassen versucht hatte. Zu dem Zeitpunkt, als er Frankies Bild im Star sah, hatte er die Höhen und Tiefen seines ›Gewerbes‹ kennengelernt und seit Jahren schon nicht mehr an sie oder das Kind gedacht. Muß ein Omen sein, überlegte er. Bis dahin war so vieles schiefgelaufen, daß die Dinge eigentlich nur noch besser werden konnten.
    Schön und gut, aber an diesem Samstagabend, zwei Wochen, bevor er wieder nach Bogotá fliegen mußte, wußten Howie und er nicht mehr weiter. Sie waren in einer Sackgasse gelandet. Gegen zehn Uhr an diesem Abend aber - sie kippten gerade ein paar Bier in einer Bar auf der William Street - sollte sich für sie alles zum Besseren wenden.
    »Earl? Earl Shaw?«
    Earl blickte in das Gesicht eines Betrunkenen, den er nicht kannte, ’n typischer Schleimer, dachte er. Langes schmales Gesicht, große Ohren, überdimensionale Hornbrille und Polyesteranzug. Earl wunderte sich, daß einer heutzutage solche Klamotten überhaupt noch trug.
    »Müßte ich dich kennen?« fragte er unfreundlich.
    »Ich bin’s - Bob. Bob Goldman, Earl. Ich habe damals über Frankie und dir gewohnt. Muß dreiundsiebzig gewesen sein. Erinnerst du dich?«
    Earl verlängerte im Geist die kurzen Haare seines Gegenübers bis zu den Schultern, ersetzte die Hornbrille gegen ein rundes Drahtgestell - und schon fiel der

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