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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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trug eines dieser langen T-Shirts, die ihr in den warmen Sommermonaten als Nachthemd dienten. »Hi, Mom, was ist denn?«
    »Ich bin nur etwas verwundert. Diese Sache da mit dem Band ...«
    »Ich weiß, daß du die Musik in der Nacht, als ich den Hirsch auf dem Rasen hinter unserem Haus sah, nicht gehört hast. Als ich sie gestern abend wieder hörte, habe ich sie aufgenommen. Ich wollte wissen, ob ihr beide, du und Tony, das gleiche empfindet, was ich fühlte, als ich sie hörte. Du denkst sicher, ich sei übergeschnappt, aber da ist irgendwas Geheimnisvolles an dieser Musik, verstehst du? Ich weiß nur nicht, was es ist.« Sie hob und senkte die Schultern. »Ich fühle mich dabei so ... Ach, ich weiß nicht. Lebendig, vielleicht. Drücke ich mich einigermaßen klar aus?«
    »Scheint so.« Frankie wollte sich schon abwenden und zu ihrem eigenen Schlafzimmer hinübergehen, blieb aber noch stehen. »Du hast doch hoffentlich noch keine Drogen probiert? Du weißt schon, Marihuana oder ...«
    Ali schüttelte den Kopf. »Ich bitte dich, Mom. Ich mag zwar seltsame Dinge aus dieser Musik heraushören, aber ich bin doch nicht blöd.«
    Wie ich es gewesen bin, dachte Frankie.
    »Wie kommst du überhaupt darauf, ich könnte Drogen nehmen?« wollte Ali wissen.
    »Es ist nichts, nur eins dieser Themen, über die Mütter sich Gedanken machen sollten. Wußtest du das nicht?«
    »Du kannst mich nicht für dumm verkaufen. Ich glaube, du machst dir sogar gern Sorgen.«
    »Vielen Dank!«
    Ali sah ihrer Mutter nach, wie sie den Flur entlang zu ihrem eigenen Zimmer ging, und setzte sich wieder aufs Bett. Nachdenklich starrte sie durch das Fenster in die Nacht hinaus. Was ist da draußen? fragte sie sich. Was ist es wirklich? Hatte sie etwa zu viele Fantasy-Romane gelesen?
    Auch wenn sie heute nacht keine Antwort mehr darauf bekam - sie mußte es herausfinden.

    Ähnliche Gedanken gingen Valenti durch den Kopf, als er auf die Straße zu seinem Haus zurückkehrte. Im Gegensatz zu Ali hatte er nie daran gedacht, die Musik aufzunehmen. Dafür hatte er das wilde kleine Mädchen in den Bäumen hinter Alis Haus gesehen - hatte sie ganz aus der Nähe gesehen. Vielleicht stoßen wir auf etwas, wenn wir alles offenlegen, was wir wissen, dachte er.
    Er fragte sich, ob das wilde kleine Mädchen ihn auch jetzt aus den Bäumen an der Straße beobachtete. Zwar blieb das warnende Prickeln in seinem Nacken aus, aber trotzdem hatte er das Gefühl, daß das Mädchen direkt vor ihm stehen könnte und er sie nicht sähe, bis sie es zuließ.
    »Aber ich werde dich finden«, sagte er leise, ehe er ins Haus trat und vor dem Rest der Nacht die Tür schloß. »Du wirst schon sehen ...«

    Unsichtbar in den Schatten neben seinem Haus rührte sich eine kleine Gestalt. Ein Lächeln huschte über das Fuchsgesicht. Es zog sie zu dem Mädchen hin, das im Haus des Dunklen Mannes lebte, aber auch zu diesem Mann hier zog es sie hin. In beiden Menschen brannte ein gewisses Feuer. Wenn sie die Musik hörten, kam das Echo von ihnen doppelt so stark zurück wie von den anderen.
    Und heute abend - da war Tommys Musik sogar gleichzeitig vom Wold Hill und vom Haus dieses Mannes herübergeklungen!
    Sie erinnerte sich, daß sie das Mädchen mit dem Gerät in der Hand schon vorher gesehen hatte. Das lockige Haar flatterte unter der breiten Krempe ihres Hutes - so heftig nickte das nächtliche Wesen. Sie mußte unbedingt ein solches Gerät haben und lernen, wie man es bediente. Sie freute sich schon auf Lewis’ Gesicht, wenn die Maschine ihre zauberhafte Nachahmung von Tommys Musik abspielte. Würde der Augen machen!
    Sie streifte Valentis Fenster mit einem letzten nachdenklichen Blick. Dann huschte sie in den Wald und machte sich auf den Weg zum Haus des Dunklen Mannes.

KAPITEL ZEHN
    Erst zwei Monate später, nachdem er auf den Artikel im Star gestoßen war, fand Earl Shaw die Zeit, sich um die Sache mit seiner Ex zu kümmern. Er hatte sich um die Finanzierung eines Deals zwischen Kolumbien und Miami kümmern müssen, und obwohl er wußte, wo er Geldgeber finden konnte, brachte er den Schotter lieber selbst zusammen.
    Er hatte im Prinzip nichts dagegen, anderer Leute Geld zu benutzen, zog diesen Weg eigentlich sogar vor - es sei denn, die Leute, die in diesen Zeiten den Ton angaben, hatten Verbindung untereinander. Über die Zinsen, die sie von ihm erwarteten, wenn er ihnen das Geld zurückzahlte, machte sich Earl wenig Kopfzerbrechen. Sie gehörten meist zu den Eingesessenen,

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