Grünmantel
offen an. »Mein ganzes Leben war ich von Männern abhängig, Tony. Selbst nachdem ich Earl verlassen hatte, gab es immer Männer, an die ich mich anlehnen konnte, von denen ich gefühlsmäßig abhing, selbst wenn sie mich nicht im eigentlichen Wortsinn unterstützten. Wahrscheinlich wäre das heute noch so - nicht, daß ich das wollte, aber ich hätte es trotzdem nötig -, doch mit dem Lotteriegewinn hat sich alles geändert. Es war nicht nur das Geld, verstehen Sie? Es war die Möglichkeit, mich dort niederzulassen, wo ich leben wollte, und ganz neu anzufangen.«
»Und dazu haben Sie sich ausgerechnet Lanark ausgesucht.«
Frankie lächelte. »Es mag etwas merkwürdig erscheinen - aber ich habe in dem Haus gelebt, Tony. Ich bin dort aufgewachsen. Als ich noch ein kleines Mädchen war, verprügelte mein Vater regelmäßig meine Mutter, und ich lernte daraus, daß der Mann der Herr im Haus war. Daß das, was er sagte, gemacht wurde.
Ich habe Earl verlassen, doch glaube ich, daß ich diese Lehre niemals vergessen habe. Für mich war die Rückkehr ins Elternhaus eine Möglichkeit zu lernen, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Meine Mutter lief weg, wie ich Earl weggelaufen bin. Das war eine Möglichkeit, mit den Schwierigkeiten fertigzuwerden. Aber jetzt bin ich zurückgekommen, und ich laufe nicht wieder davon. Vielleicht werde ich eines Tages wegziehen, aber dann nur, weil ich es will, und nicht, weil man mich verjagt hat.«
»Nun, das kann ich verstehen«, sagte Valenti, obwohl er sich bei der Vorstellung, daß der Mann nicht das Oberhaupt der Familie sein sollte, leicht unbehaglich fühlte. Eine Ehefrau und ihr Mann hatten doch jeder die ihnen zugeteilte Rolle, oder etwa nicht?
»Glauben Sie daran, daß Männer und Frauen gleich sind, Tony? Daß sie die gleichen Rechte haben?«
»Was? Ja, natürlich.«
Frankie nickte. Ihr war sein Zögern entgangen. »Trotzdem haben die Frauen noch einen weiten Weg vor sich, bis dieses Gleichgewicht erreicht ist. Es ist schon merkwürdig, aber erst durch Ali habe ich vieles erkannt - unter anderem auch, nicht nur über Gleichberechtigung zu reden, sondern etwas dafür zu tun. Sie liest viel darüber.« Frankie lachte. »Und weist mich deutlich darauf hin, wenn ich mal aus der Reihe tanze. Sie ist wirklich gut und wichtig für mich. Gott, ich liebe sie.«
»Sie ist ein gutes Kind.«
»Sie ist ein sehr waches Kind«, fuhr Frankie fort. »In mancher Hinsicht ist sie besser dran als die Frauen meiner Generation. Wir wuchsen gerade heran, als diese ganze Geschichte mit der Gleichberechtigung aufkam, als Women’s Lib ein Schimpfwort und jede Frau, die sich dafür einsetzte, eine Lesbe war.«
Valenti rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Er hatte ebenso gedacht und verspürte Schuldgefühle deswegen. Er sah zu Frankie hinüber, doch sie schien sein Unbehagen nicht zu bemerken.
»Ich mache mir Sorgen darüber, welche Auswirkungen dies alles auf Ali haben könnte«, fuhr sie fort. »Manchmal denke ich, daß ihr durch die Art, wie wir gelebt haben, ein guter Teil ihrer Kindheit verlorengegangen ist. Sie hat nur wenig Kontakt zu anderen Kindern. Sie redet und benimmt sich häufig wie eine kleine Erwachsene. Manchmal denke ich, daß sie die Dinge besser im Griff hat als ich. Ali ist nach dem Konzept aufgewachsen, daß sie ein Bestandteil des täglichen Lebens ist. Nicht, daß damit die Schlacht gewonnen wäre - noch lange nicht. Doch wenigstens hat sich was getan in dieser Hinsicht. Vielleicht werden es meine Enkelkinder mal leichter haben. Gott, ich hoffe es für sie. Wenn alle Kinder in Alis Alter so wären wie sie, brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu machen. Doch dann frage ich mich wieder, ob sie auf lange Sicht einen Schaden davonträgt, weil sie zum Teil keine normale Kindheit gehabt hat.«
»Ali gehört zu den Kindern, die ihre Sache immer gut machen, ganz gleich, was sie anpacken«, versuchte Valenti sie zu beruhigen.
»Oh, das bezweifle ich auch nicht. Vermutlich fürchte ich mich nur davor, keine gute Mutter zu sein.«
»Ich denke, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ali redet die ganze Zeit von Ihnen - Sie sind die Nummer Eins auf ihrer Liste.«
Frankie lächelte dankbar.
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, fuhr Valenti fort. »Ich habe mir nie viele Gedanken über die Gleichberechtigung der Frau und all dieses Zeugs gemacht. Aber als ich Ihnen eben zuhörte ... nun, das macht einen doch nachdenklich.«
»Man darf nicht alle
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