Grünmantel
erzählt, du hättest dich aus dem Geschäft zurückgezogen, doch von drüben hört man, daß du Verbindung zu ein paar der alten Familien aufgenommen hast. Zwar habe ich vor ihnen genausoviel Respekt wie jeder sonst, doch hier sind wir in Amerika, und ihr Wort gilt hier einen Dreck - verstehst du?«
»Wir würden auch immer noch zusammenarbeiten, wenn die Familie mich nicht deportiert hätte.«
»Nun, mir persönlich tut das auch leid«, sagte Broadway-Joe. »Ganz ehrlich. Aber so ist nun mal die Welt, capito? Daran läßt sich kaum mehr was ändern.«
»Darum habe ich auch nicht gebeten.«
»Ich weiß. Du bittest mich um etwas, das ich dir nicht so leicht versprechen kann - nicht, wenn ich darüber nachdenken muß, ob die alten Familien auch hier bei uns Fuß fassen wollen. Deinen Wunsch zu erfüllen, wär ’ne Kleinigkeit für mich. Aber was wird man als nächstes von mir verlangen?«
»Die Sache hier ist rein persönlich, das weißt du.«
Broadway-Joe nickte bedächtig. »Also nur ’ne Angelegenheit zwischen dir und mir?«
»Zwischen dir und mir«, bestätigte Mario. »Und was die alten Familien angeht, Joe - ich bin wirklich in Rente. Ich habe ihnen mal einen oder zwei Gefälligkeiten erwiesen, das stimmt. Aber schließlich muß ich mit ihnen leben. Besser, sie schulden mir was als umgekehrt.«
»Da gebe ich dir recht. Also schön, weil du es bist. Ich ziehe den Kontrakt auf Tony zurück.«
Mario betrachtete sein Gegenüber nachdenklich. Du verdammter Hurensohn, dachte er bei sich. Aber er hatte es einfach versuchen müssen. »Dafür hast du was gut bei mir«, sagte er leise.
Broadway-Joe lächelte. Er nahm die Bemerkung wörtlich. Die Ironie, die in den Worten lag, entging ihm.
»Ich bin froh, daß wir miteinander gesprochen haben, Mario. Es ist schon so lange her ... Vielleicht können wir ’n paar Drähte spielen lassen und dich legal ins Land zurückholen. Was hältst du davon?«
Mario schüttelte den Kopf und erwiderte Joes Lächeln. »Ich habe mich da, wo ich jetzt bin, ganz gut eingelebt, Joe. Aber trotzdem - danke.«
»Willst du jetzt was bestellen?«
»Nein, ich muß meinen Flieger kriegen.« Mario erhob sich und streckte Broadway-Joe die Hand hin. » Ciao , Joe.«
Broadway-Joe stand ebenfalls auf und schüttelte die Hand. »Uns allen ein langes und zufriedenes Leben.«
Mario nickte. Als er das Restaurant verließ, schloß sich ihm nur einer der Männer an, die Joe als seine Bodyguards erkannt hatte. Die beiden anderen blieben auf ihren Plätzen sitzen und beobachteten Joe und seine Leute.
Jetzt ist nicht der richtige Augenblick, dachte Broadway-Joe. Aber sobald Valenti erledigt wäre, würde man etwas gegen den Silberfuchs unternehmen. Die Sache mußte nur sehr sorgfältig geplant werden, denn obwohl die alten Familien hier in Amerika nicht so viel Einfluß besaßen, wie sie glaubten, verfügten sie trotzdem über einen langen Arm. Und Mario selbst würde ganz sicher zu einer Gefahr, sobald er erführe, daß man Tony aus dem Weg geräumt hätte. Broadway-Joe wußte, er würde sich viel besser fühlen, wenn beide von der Bildfläche verschwunden waren.
Während in New York City das Treffen zwischen dem Silberfuchs und dem consigliere der Magaddino-Familie über die Bühne ging, war Earl Shaw auf dem Weg zum Ottawa International Airport. Er fuhr einen neuen Buick, den er unter Vorlage eines falschen Ausweises bei Hertz gemietet hatte. Nachdem er den Hertz-Parkplatz verlassen hatte, war er in eine Tiefgarage im Zentrum gefahren und hatte die Nummernschilder gegen die eines anderen Buick ausgetauscht. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Er stellte den Wagen an einer Parkuhr ab, betrat den Terminal und wartete auf die Fluggäste der eben eingetroffenen Maschine aus New York. Dabei fragte er sich, wen Broadway-Joe wohl geschickt haben mochte.
Werde meine helle Freude an der Sache haben, dachte Earl. Seit er mit Valenti bei dem Miami-Deal zusammenarbeiten mußte, hatte er den Burschen gefressen - mit Haut und Haaren. Für Earls Geschmack roch der Kerl einfach zu stark nach Alte Welt-Mafia. Als er dann erfuhr, daß Valenti den alten Magaddino erledigt hatte, mußte er laut lachen. So ist das nun mal, dachte er. Man konnte keinem dieser Scheißkerle vertrauen ...
Die Passagiere kamen heraus, und Earl musterte jeden einzelnen. Schließlich entdeckte er Joe Fucceri und verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. Das paßte ja wie die Faust aufs Auge. Welchen geeigneteren Mann konnten sie
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