Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
vielleicht auch noch die dazugehörende großartige Rezension von Stephan Maus.
Das Körnchen Wahrheit
Heimtückisch an Klischees ist, dass sie oft ein Körnchen Wahrheit beinhalten. Die klimageografischen Bedingungen auf diesem Planeten begünstigen Niederschlag in England, Handwerker wissen einen pünktlichen Feierabend zu schätzen und viele Obdachlose sind dem Konsum alkoholischer Getränke zugeneigt. Was also tun?
Figuren individuell gestalten
Um von vornherein Klischees möglichst auszuschließen, ist es wichtig, die Figuren sorgfältig zu gestalten, „alles“ über sie zu wissen, auch wenn nur ein Bruchteil davon in den Text einfließen wird. Wenn man genau weiß, was die Figur zu dem gemacht hat, was sie ist, was ihre Lieblingsbeschäftigung als Kind war, welche Ziele sie im Leben hat, warum sie sie nicht erreicht und was sie von den Fernsehsendungen hält, die ihr Autor schaut, dann ist es schwierig, eine nicht-individuelle Figur zu kreieren. Und die Figur bestimmt bekanntlich die Handlung.
Durch Beobachtung Material gewinnen
Eine zweite wichtige Voraussetzung ist die Beobachtung. Man kann in der realen Welt eine Menge Material sammeln, mit dem die fiktive Welt dann ausgestattet wird. Dieses Material wird bedeutend farbiger, ungewöhnlicher, überraschender sein, als ein rasch hingeschriebenes Klischee.
Übung gegen Klischees
Eine Übung im Kampf gegen das Klischee sieht so aus: Man nimmt sich einen älteren „abgehangenen“ Text und markiert zweifarbig alle Denk- und Redeklischees, die man aufspüren kann. Dann überarbeitet man den Text und versucht die betroffenen Passagen umzuformulieren. In der Regel wird das dazu führen, dass man mehr über die Figuren wissen muss.
Klischees brechen
Interessant wird es, wenn man absichtlich Klischees ins Spiel bringt, entweder um sie einer Figur in den Mund zu legen und diese damit zu charakterisieren (aber vorsichtig, sonst wird die Figur selbst zum Klischee) oder indem man Klischees bricht. Das kann man zum Beispiel, indem man eine Figur vordergründig klischeehaft gestaltet, andere Figuren, und eventuell auch die Leser, folgen dieser Denkrichtung, die dann aber eben ihrerseits als Klischee enthüllt wird.
Kitsch beim Schreiben vermeiden
Kitsch bedeutet, dass ein Gefühl völlig übertrieben dargestellt wird. Distanz, Ironie oder eine kritische Darstellung kommen nicht vor. Kennzeichen von Kitsch sind unter anderem die unzeitgemäße Idylle (in den einschlägigen Heftromanen findet man heute noch Ehen wie in den 1950er Jahren), eine Schwarz-Weiß-Zeichnung der Welt im Allgemeinen und der Figuren im Besonderen, klischeehafte Ideale (der gute Arzt als edler Samariter) und natürlich das banale Happy End. Es gibt keine echten Erschütterungen, keine Figur bleibt traumatisiert zurück, sondern alles wird wieder rosarot und gut. Die Entwicklung ist in kitschigen Texten vorhersehbar, es werden Elemente verwendet, die schon lange bekannt sind und auch eine Tendenz zur Verniedlichung kann zum Kitsch gehören.
Trivial statt originell
Ein kitschiger Text ist im Grunde von einem faulen Autor geschrieben worden, denn er täuscht vor literarisch und kunstvoll zu sein, benutzt jedoch nur Nachahmungen. Statt originell zu sein und etwas Eigenes zu schaffen, greift der Text auf oft Gehörtes zurück, auf Trivialitäten. Ein guter Text erkundet die Nuancen eines Gefühls, ein kitschiger würde sich diese Mühe nicht machen, sondern auf eine oberflächliche Lösung zurückgreifen.
Über Gefühle schreiben
Wann immer man über Gefühle schreibt, besteht die Gefahr in Kitsch abzugleiten. Für manche Autoren ist die Angst vor Kitsch so groß, dass sie wie zu einer Schere im Kopf wird, was dazu führt, dass Gefühle möglichst ausgeklammert werden – was kein Text auf Dauer verkraftet. Zunächst sollte man sich erlauben, hemmungslos so über Gefühle zu schreiben, wie es gerade in die Tastatur rutscht. Wenn es dann kitschig ist, na und? Später kann man den Text immer noch bearbeiten.
Figuren mit Charakter
Kitsch zu vermeiden ist gar nicht schwierig. Wenn man sich bemüht, den Charakter der Figuren genau zu erforschen, sie „rund“ zu gestalten mit all ihren Stärken und Schwächen und dann auch noch ihr Handeln von ihrem Charakter steuern lässt, dann wird es schon geradezu schwierig, in den Kitsch abzugleiten.
Hier noch ein paar Strategien, um unkitschig zu bleiben:
Authentisch
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