Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
transportieren diese Wörter so gut wie gar keinen Inhalt, denn was jemand als einen schönen Abend oder einen furchtbaren Abend bezeichnet, geht sehr weit auseinander und der Leser erfährt nichts Konkretes. Genau darum sollte es jedoch gehen: um das Konkrete, das für den Leser erfahrbar wird. Wenn man jemandem erzählt, einen schönen Abend gehabt zu haben, wird der andere nicht begeistert mit dem Kopf nicken, sondern nachfragen, was denn schön gewesen sei. Der Leser kann aber nicht fragen ...
Das sinnliche Adjektiv drückt, wie der Name schon sagt, etwas aus, das mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Schrill, rot, salzig, verbrannt, seidig sind Beispiele, die das Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Fühlen ansprechen.
Ein Beispielsatz: „Jeden Morgen schüttelte sie die Betten aus und auf der Erde schneite es wunderschön."
Was sagt das Wort wunderschön hier aus? Nichts. Wenn es nicht dort stände, wäre nichts verloren.
Ob ein Adjektiv sinnvoll ist oder nicht, lässt sich mit der Marsmenschenregel herausfinden. Wenn man, um bei diesem Beispiel zu bleiben, einem Marsmenschen erklären müsste, was „schneien" bedeutet, hätte er dann durch das Wort „wunderschön" eine Vorstellung davon? Unter dem, was wir uns als wunderschön denken, wüsste er sich gar nichts vorzustellen. Ein exakteres Bild lieferten ihm Adjektive wie kalt, silbrig, knisternd.
Offensichtliches streichen
Die zweite Falle für Autoren besteht darin, etwas Offensichtliches mit einem Adjektiv bzw. einem Adverb auszudrücken. Beispiele: „Sie knallte den Hörer heftig auf die Gabel." oder „Er stürzte schnell aus dem Raum." In diesen beiden Fällen drückt das Verb bereits alles aus, man kann einen Hörer gar nicht nicht heftig aufknallen, deswegen ist das Wort „heftig" eine Verdoppelung und folglich überflüssig.
Was tun, um Adjektive und Adverbien zu vermeiden, beziehungsweise zu ersetzen? In vielen Fällen ist eine Handlung eindrucksvoller als das Adjektiv, das sie beschreibt. Anstatt zu sagen „Er war ein grausamer Mann." könnte es heißen: „Im Vorübergehen trat er nach den spielenden Kindern."
Disclaimer
Hier soll nicht behauptet werden, man müsse jedes einzelne wertende Adjektiv löschen, weil man sonst in die Literaturhölle kommt. Es gibt auch gute Gründe, wertende Adjektive zu benutzen, ein einfaches Beispiel: Es kann zur Sprache einer Figur gehören, in jedem Satz „super" zu sagen. Oder man möchte ganz schlicht eine Wertung abgeben.
Selbstverständlich darf man auch mitteilen, dass sich die Figur auf einen rauen Felsen setzt, einen froschgrünen Ford fährt und das Bachwasser eiskalt ist. Wichtig ist nur, dass man nicht jedes Detail notiert, sondern eine Entscheidung fällt, welche Beschreibung für die Geschichte und für den Leser wichtig ist und welche nicht.
Höhere Weihen der Adjektivverwendung
Ein besonderer Effekt kann erzielt werden, wenn man ein Adjektiv auswählt, das in dem verwendeten Zusammenhang unüblich ist. Beispiele wären etwa: ein grelles Lächeln, ein feindseliger Gang oder eine aggressive Topfpflanze. Solche Kombinationen können ebenso originell wie vielsagend sein, sollten jedoch sparsam und gezielt verwendet werden, um den Effekt nicht zu verwischen.
Klischees vermeiden: Abgedroschene Denk- und Redeweisen überwinden
Unter einem Klischee versteht man ein eingefahrenes Denk- oder Redeschema, ein abgedroschenes Bild, tausendmal gehört und dadurch schal geworden. Wenn man zum Beispiel davon ausgeht, dass es in England immer regnet und alle dort Tee trinken, wenn man sagt, jemand sei „pünktlich wie die Maurer“ oder wenn man einen nach Schnaps stinkenden Obdachlosen erfindet, dann bedient man sich eines Klischees.
Ein Denkklischee besteht in Schnellurteilen wie dem des verregneten Englands, Redeklischees sind Ausdrücke, die uns bereits automatisch über die Lippen gehen, bevor wir uns um etwas Treffenderes bemüht haben. „Schon schön, aber schau mer mal.“
Klischees verflachen den Text
Als Autor fügt man seinem Text dadurch einen schweren Schaden zu, denn Klischees lassen den Text flach und langweilig werden, berechenbar und oberflächlich. Klischees drücken keine individuelle Überzeugung aus, sondern sind das Allzubekannte und warum sollte sich ein Leser damit auseinandersetzen müssen? Wer ein Beispiel braucht, kann Augusten Burroughs Roman „Trocken!“ lesen, in dem ein Klischee an das nächste gereiht wird, und
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