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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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reden« (eins der raren
     direkten Zitate von Leni!). Ihr Urteil über Barzel, Kiesinger, Strauß kann hier nicht wiedergegeben werden: es würde für den
     Verf. zu kostspielig. Er kann sich das nicht leisten und befindet sich, was diese drei Herren betrifft, in einer ähnlichen
     Lage wie bei Herrn Hochgestellt. Er – der Verf. – könnte sich hier auf seine Berichterstatterpflicht zurückziehen, Leni zitieren,
     ihr die Beweislast aufhängen, sie vor Gericht zerren, und obwohl er sicher ist, daß sie weder ihn noch die beiden Helzens
     im Stich lassen würde, so zieht er doch vor, hier nur anzudeuten und nicht zu zitieren. Aus einem einfachen Grund: er sieht
     Leni nur ungern vor den Schranken des Gerichts. Er findet, Leni hat Schwierigkeiten genug: ihr einziger, sehr geliebter Sohn
     im Gefängnis, neuerdings sogar ihr Klavier in Pfändungsgefahr; ihre Angst oder Nervosität – ihre Ungewißheit, ob sie von dem
     Türken »empfangen« hat (Leni nach Hans und Grete H.); womit ein biologisches Detail feststeht: es ergeht ihr immer noch nach
     Art der Frauen; die Vergasungsdrohung, von der niemand weiß, ob sie exekutierbar wäre – ausgesprochen von einem pensionierten
     Beamten aus der Nachbarschaft, dem einige |382| vergebliche Annäherungsversuche (Belästigungen gröblichster Art im dunklen Hausflur, Betätschelungen in der Bäckerei, ein
     exhibitionistischer Vorgang, ebenfalls im dunklen Hausflur) nachgewiesen werden können; der Dschungel von Pfändungen und drohenden
     Pfändungen, den man »nicht einmal mit einer Machete halbwegs lichten könnte« (Lotte H.). Sollte sie da noch vor den Schranken
     eines Gerichts ihre niederschmetternden, in ihrer Prägnanz (vom literarischen Standpunkt) köstlichen Anmerkungen über Barzel,
     Kiesinger und Strauß wiederholen müssen? Diese Frage kann nur so beantwortet werden: nein, nein und nochmals nein.
     
    Doch nun keine Umschweife mehr: Ja, Leni hat in der KPD »mitgewirkt« (Lotte H., Margret, Hoyser sen., M. v. D. und ein ehemaliger
     Funktionär der Partei gleichlautend!). Nun kennt man ja die Plakate, auf denen steht »unter Mitwirkung von ...«; damit wird
     meistens auf Prominente angespielt, die dann nie auftreten, auch nicht gefragt worden sind oder zugesagt haben, die man lediglich
     für zugkräftig hält. Hielt man Leni für zugkräftig? Offenbar ja, wenn auch irrtümlicherweise. Der ehemalige Funktionär, der
     vorübergehend einen gutgehenden Zeitungsstand in günstiger Citylage betreibt und sich selbst als »68er« bezeichnet, dieser
     – dem Verf. jedenfalls – sympathische Mensch, etwa Mitte Fünfzig, wirkte resigniert, um nicht zu sagen verbittert, und gebeten,
     das mißverständliche kurze »68er« doch ein wenig zu erläutern, sagte er lediglich: »Nun, ich bin seit 68 nicht mehr dabei.
     Nein, ich nicht.« Der im folgenden zusammenhängend wiedergegebene Bericht dieser Auskunftsperson, die so anonym bleiben möchte
     wie der hochgestellte Herr, wurde bruchstückweise gegeben, da die Auskunftsperson immer wieder durch Zeitungskäufer unterbrochen
     wurde. Auf diese Weise wurde der Verf. Mitwisser der höchst |383| eigenwilligen Vertriebspolitik des »68ers«, der innerhalb einer knappen halben Stunde mindestens vierzehn- bis fünfzehnmal
     bei der Nachfrage nach Pornoprodukten herrisch, wenn nicht mürrisch antwortete: »Wird hier nicht geführt.« Selbst relativ
     unverfängliche Presseorgane – wie Boulevardzeitungen, seriöse und unseriöse Tageszeitungen, auch Illustrierte Zeitungen halb- oder mittel- unverfänglichen Charakters – wurden, wie dem Verf. schien, nur widerwillig von dem »68er« herausgerückt. Vorsichtige Prognosen
     des Verf., daß er angesichts solcher Verkaufspolitik um die Rentabilität des Kiosks Furcht hege, wurden von der betreffenden
     Auskunftsperson exakt gekontert. »Sobald ich meine Invalidenrente durchhabe, mach ich den Kasten sowieso zu. Bis jetzt hab
     ich nur eine kleine Wiedergutmachungsrente, bei deren Genehmigung ich deutlich zu spüren bekam, daß es denen lieber gewesen
     wäre, ich hätte nicht überlebt. Das wäre ja auch billiger geworden. Nein, diese bürgerliche Unterwerfungsscheiße, diesen Porno-Imperialismus
     verkaufe ich nicht, wenns auch Bestrebungen gibt, mich dazu zu zwingen, von wegen ›Ein Kiosk an so repräsentativer Position
     ist verpflichtet, für seine potentiellen Käufer ein marktgerechtes Angebot bereitzuhalten‹ (Zitat aus der Eingabe eines CDU-Stadtverordneten).
     Nein,

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