Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
reproduzierten Zeitungsfoto zwar
erkennbar, aber nur für Eingeweihte, und es bleibt zu hoffen, daß es nicht in irgendeinem Archiv noch ein Negativ dieses Fotos
gibt. Der Artikel sollte vielleicht hier wörtlich zitiert werden. Unter den schon zitierten Bildunterschriften steht als Textüberschrift:
»Junge, christlich erzogene Frau lernte von roten Horden beten. Es ist kaum zu fassen und doch verbürgt, eine junge Frau,
von der ich nicht weiß, ob ich sie nun zutreffender als Fräulein G. oder als Frau P. bezeichnen soll, gibt an, von einem Soldaten
der Roten Armee das Beten wieder gelernt zu haben. Sie ist Mutter eines unehelichen Kindes, als dessen Vater sie stolz einen
Sowjetsoldaten angibt, mit dem sie, zwei Jahre nachdem der ihr angetraute P. sein Leben in der Heimat des unehelichen Vaters
hingegeben hatte, ein so illegales wie illegitimes sexuelles Verhältnis anfing. Sie schämt sich nicht, für Stalin Propaganda
zu machen. Unsere Leser brauchen vor solch einem Wahnsinn nicht gewarnt zu werden, aber vielleicht ist die Frage erlaubt,
ob man gewisse Erscheinungsformen der Pseudonaivität nicht doch in die Kategorie politische Kriminalität einordnen sollte.
Wir wissen, wo wir beten lernen: im Religionsunterricht und in der Kirche; und wir wissen auch, wofür wir beten: für ein christliches
Abendland, und vielleicht sollten nachdenklich gewordene Leser hin und wieder ein stilles Gebet für Fräulein G. alias Frau
P. sprechen. Sie hats nötig. Der betende Altoberbürgermeister Dr. Adenauer jedenfalls hat für uns mehr Überzeugungskraft,
als sich im kleinen Finger dieser irregeführten, möglicherweise geistesgestörten |389| Frau (Fräulein?), die aus gutem, aber in jeder Hinsicht herabgekommenem Hause stammen soll, verbergen könnte.«
Der Verf. hofft inständig, daß Leni damals eine so sporadische Zeitungsleserin war, wie sie heute ist. Er – der Verf. – sähe
sie nur ungern in diesem christlichen Stile (absichtliche Verwendung des Dativ-Es! Der Verf.) gekränkt.
Inzwischen konnte noch ein wichtiges Detail verifiziert werden: die Strichliste, die Marja van Doorn seinerzeit führte, als
Pfeiffers bei Gruytens für Alois um Leni warben, ist von Grete Helzen auf der Türfüllung entdeckt worden – es ist tatsächlich
seinerzeit sechzigmal das Wort »Ehre« gefallen. Damit ist zweierlei bewiesen: M. v. D. ist eine zuverlässige Auskunftsperson,
und: Lenis Türfüllung ist seit dreißig Jahren nicht mehr angestrichen worden.
Es konnte auch, wozu es einiger (als überflüssig zu bezeichnender) Umstände bedurfte, das merkwürdige Wort »Kristelier« verifiziert
werden. Der Verf. unternahm einige (eben überflüssige) Aufklärungsversuche bei jüngeren Klerikern, da ihm das Wort, obwohl
nach gewissen hygienischen Maßnahmen klingend, durch die höchst zuverlässige Oma Commer in einen kirchlichen Zusammenhang
gestellt war. Ergebnis: negativ. Verschiedene Anrufe bei Seelsorgeämtern, die sich (unberechtigterweise!) verspottet fühlten,
zögernd, mit peinlicher Vorsicht den Zusammenhang erklären ließen, sich aber als völlig desinteressiert an der Aufklärung
sprachlicher Zusammenhänge erwiesen und schlichtweg einhängten bzw. den Hörer auflegten, brachten dem Verf. lediglich Ärger
und Zeitverlust, bis er auf eine Idee kam, die ihm früher hätte kommen können, da ihm ja das Wort aus dem geographischen |390| Dreieck Werpen–Tolzem–Lyssemich zugetragen worden war: er fragte M. v. D., die es, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern,
als Dialektausdruck für »Christenlehre« identifizierte, eine Andachtsübung, die »eigentlich für Kinder als eine Art erweiterter
Religionsunterricht gedacht war, in die aber auch wir Erwachsene manchmal gingen, um unsere Kenntnisse aufzufrischen; sie
fand allerdings meistens zu einer Zeit statt, wo wir zu Hause nach einem reichlichen Mittagessen schliefen: gegen 3 Uhr am
Sonntag nachmittag« (M. v. D.). Wahrscheinlich hat man es hier mit einer katholischen Parallele zur evangelischen »Sonntagsschule«
zu tun.
Der Verf. (ohnehin durch den Boxkampf Clay–Frazier mit seinen Recherchen in Verzug geraten) geriet in einige Gewissensnot,
die sich lediglich auf die Finanzierung seiner Untersuchungen und die damit verbundene Schädigung des Finanzamts bezog; sollte
er die Reise nach Rom riskieren, um im Archiv der Ordenszentrale nach Haruspicas Schicksal zu fahnden? Die zwar menschlich
wertvollen,
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