Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
Vom Netzwerk:
und der Junge, der Heinrich: er war zum Verlieben, ja, und es war wohl keine
     Frau weit und breit, die nicht son merkwürdiges Lächeln ins Gesicht bekam, wenn sie ihn sah; nur ein paar von den klugen Homosexuellen
     und Frauen riechen doch nen Dichter. Natürlich wars glatter Selbstmord, was er da trieb, ganz klar, und ich frag mich, warum
     er den Erhard da mit reingerissen hat – aber vielleicht wollte der mit reingerissen werden. Man weiß das nicht, zwei Bamberger
     Reiter, die gemeinsam sterben wollen, und das haben sie ja geschafft: an die Wand hat man sie gestellt, und wissen Sie, was
     der Heinrich gerufen hat, bevor man ihn erschoß: ›Scheißt auf Deutschland.‹ Und das war das Ende einer Bildung und Erziehung,
     die wohl einmalig war, und wo er schon einmal drin war in dieser Scheißwehrmacht, wars vielleicht gut so: es gab ja noch Todesmöglichkeiten
     genug zwischen April 1940 und Mai 1945. Der Alte hatte Beziehungen genug und hat sich die Akten kommen lassen, irgend son
     General hat sie ihm besorgt, er hat aber nie reingeschaut, nur mich gebeten, ihm das Wesentliche zu erzählen; die beiden Jungens
     haben den Dänen einfach ne ganze Flakkanone zum Verkauf angeboten, d. h., sie wollten den fiktiven Schrottwert dafür haben,
     irgendwas um fünf Mark rum, und wissen Sie, was dieser stille, schüchterne Erhard im Prozeß gesagt hat: ›Wir sterben für einen
     ehrenwerten Beruf, für den Waffenhandel.‹«
    |95| Es erschien dem Verf. notwendig, noch einmal Herrn von Hoffgau, Werner, fünfundfünfzig Jahre alt, aufzusuchen, der »nach vorübergehender
     Tätigkeit bei der Bundeswehr, der ich meine Erfahrungen als Baumensch in amtlicher Funktion zur Verfügung stellte«, nun in
     einem Seitenflügel des Wasserschlößchens seiner Vorfahren ein kleines Architekturbüro unterhält, »das ausschließlich friedlichen
     Zwecken, nämlich dem Bau von Siedlungshäusern dient«. Man muß sich von H. (der sich nicht unaufgefordert als unvital bezeichnete,
     es aber könnte) als einen sanften Grauhaarigen vorstellen, Junggeselle, für den nach der bescheidenen Auffassung des Verf.
     das »Architekturbüro« nur ein Vorwand ist, stundenlang den Schwänen auf dem Schloßteich, der Tätigkeit innerhalb und außerhalb
     der verpachteten Ökonomie zuzusehen, Spaziergänge durch die Felder zu machen (genauer gesagt: Rübenäcker), nur mit bösem Gesicht
     zum Himmel aufzuschauen, wenn mal wieder ein Starfighter vorüberfliegt; der den Umgang mit seinem Bruder, der im Schloß wohnt,
     meidet, »gewisser Transaktionen wegen, die er unter Benutzung meines Namens, aber ohne mein Wissen, in der Abteilung, die
     ich damals leitete, eingefädelt hat«. Auf von H.s leicht verfettet-sensiblen Zügen zeigt sich Bitterkeit, keine persönliche,
     eher eine abstrakt moralische, die er, wie dem Verf. schien, mit einem Getränk betäubt, das, in Mengen genossen, zu den gefährlichsten
     gehört: mit altem Sherry. Jedenfalls entdeckte der Verf. überraschend viele leere Sherryflaschen auf dem Abfallhaufen und
     beunruhigend viel volle in von H.s »Zeichenschrank«. Es waren einige Besuche in der Dorfkneipe notwendig, um Auskünfte, die
     von H. mit den Worten »Meine Lippen sind versiegelt« verweigerte, wenigstens in Kolportageform zu erfahren.
    Das folgende ist die Zusammenfassung von Gesprächen, die der Verf. anläßlich dreier Kneipenbesuche mit etwa |96| zehn Dorfbewohnern von Hoffgausen führte; die Sympathie der Dorfbewohner galt eindeutig dem unvitalen Werner, ihre Achtung,
     ihr fast schon mit bebender Stimme vorgetragener Respekt dem offenbar sehr vitalen Bruder Arnold; offenbar – laut Dorfbewohner
     – hat Arnold innerhalb des von seinem Bruder geleiteten Planungsstabes zum Bau von Bundeswehrflugplätzen, mit Hilfe von CDU-Abgeordneten,
     Bankiers, Lobbyisten der verschiedensten Gruppen des Verteidigungsausschusses, durch Druck sogar auf den Minister für Verteidigung,
     durchgesetzt, daß der »seit Jahrhunderten berühmte Hoffgausener Wald« und entsprechend viele ihn umgrenzende Felder als Gelände
     für einen NATO-Flugplatz ausgewählt wurden. Das war – nach Aussage der Dorfbewohner – ein »Fünfzig-, Vierzig-, allermindestens
     Dreißig-Millionen-Geschäft«, und das ging nun (Dorfbewohner Bernhard Hecker, Landwirt) » in seiner Abteilung gegen seinen Willen mit Zustimmung des Verteidigungsausschusses vor sich«.
    Hoffgau, »Gruyten zu ewigem Dank verpflichtet, weil er mich als jungen Menschen vor dieser

Weitere Kostenlose Bücher