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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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daß die Tatsache,
     verheiratet zu sein, Leni nicht im geringsten gestört hätte, wenn irgendein »Richtiger« gekommen wäre. So, wie die Angaben
     über Erhard vorliegen, kann man sie durchaus als Studienratsgattin sehen (Hauptfach Deutsch), als Gattin (oder Lebensgefährtin)
     eines Nachtprogrammredakteurs, als Gattin des Herausgebers einer avantgardistischen Zeitschrift |156| (und, es muß hier gesagt werden, auch durch Erhard wäre sie mit jenem deutschschreibenden Dichter bekannt geworden, mit dem sie später durch einen anderen bekannt
     wurde: Georg Trakl). Gewiß ist: Erhard hätte sie immer geliebt, ob sie ihn – das kann nicht über zwanzig Jahre hin garantiert
     werden, aber ebenso sicher ist, Erhard hätte nie auf irgendwelchen Rechten bestanden, und damit war ihm eins auf Lebenszeit
     sicher, wenn auch nicht unbedingt ihre permanente Hingabe, so doch Lenis Sympathie. Was der Verf. (für ihn überraschenderweise)
     ebenfalls nicht sieht , ist Heinrich; er sieht ihn einfach nirgendwo in irgendwelchen hypothetischen Berufssituationen – so wenig, wie sämtliche
     Jesuiten ihn gesehen haben.
     
    Es muß hier – im Zusammenhang mit gewissen lexikalischen Auskünften – noch die Frage gestellt werden: was nun höhere Lebensgüter
     sind? Wer sagt uns, für wen ein Lebensgut höher oder niedriger ist? Da sind peinliche Lücken in den Lexika, sogar in renommierten.
     Nachweisbar gibt es Menschen, für die 2,50 DM ein weitaus höheres Lebensgut darstellen als irgendein Menschenleben außer ihrem
     eigenen, und es gibt sogar welche, die um eines Stückes Blutwurst willen, das sie bekommen oder nicht bekommen, die Lebensgüter
     ihrer Frauen und Kinder, als da sind: ein fröhliches Familienleben und den Anblick eines endlich einmal strahlenden Vaters,
     rücksichtslos aufs Spiel setzen. Und wie ist es mit jenem Lebensgut bestellt, das uns als G. angepriesen wird? Verflucht noch
     mal, der eine ist ziemlich nahe an G., wenn er die drei, vier Kippen, die ihm ausreichen, eine neue Zigarette zu drehen, endlich
     beisammen hat oder einen Rest Wermut aus einer weggeworfenen Flasche schlürfen darf, der andere braucht, um – jedenfalls nach
     dem abendländischen Schnellverfahrensliebesbrauch – etwa zehn Minuten glücklich zu sein, genauer gesagt: um der von ihm zur
     Zeit |157| begehrten Person einmal rasch beizuwohnen, braucht er ein privates Jetflugzeug, mit dem er, ohne daß die Person, die nach
     kirchlichen und gesetzlichen Vorschriften legitim für seine G. vorgesehen ist, es bemerkt, zwischen Frühstück und Nachmittagskaffee
     mal rasch nach Rom oder Stockholm fliegt oder (da brauchte er schon bis zum nächstfälligen Frühstück Zeit) nach Acapulco –
     um der oder dem Begehrten männlich-männlich, weiblich-weiblich oder einfach männlich-weiblich beizuwohnen.
    Es muß hier endgültig festgestellt werden, daß noch viele UFOs mit vielen Computern noch nicht entdeckt sind.
    Wo etwa wird das seelische S.-Erlebnis registriert, wo das körperliche, wo wird die Tätigkeit unserer Bindehautsäkke graphisch
     wie ein Kardiogramm erfaßt, wer zählt unsere T., wenn wir nachts heimlich einem W. erliegen? Wer schließlich kümmert sich
     um unsere L.s, das L.1, das L. 2? Verflucht, sollen Verf. denn alle diese Probleme lösen? Wozu haben wir die Wissenschaft,
     wenn sie die teuren Dinger losschicken, um Mondstaub zu kassieren oder ödes Gestein heimzubringen, während keiner in der Lage
     ist, jenes UFO auch nur zu orten, das über die Relativität von Lebensgütern Auskunft geben könnte. Warum z. B. bekommen die
     einen Frauen das Recht kurzfristigen Beiwohnens mit zwei Villen, sechs Autos und eineinhalb Millionen in bar bezahlt, während
     – was statistisch beweisbar ist – in einer alten und heiligen Stadt, deren Prostitutionstradition erheblich ist, etwa um die
     Zeit, als unsere Leni sieben, acht Jahre alt war, junge Mädchen für eine Tasse Kaffee im Wert von achtzehn Pfennigen (mit
     Trinkgeld zwanzig, genaugenommen neunzehnkommaacht Pfennige – aber welcher Münze fällt es schon ein, Nullkommaeins- oder Nullkommazweipfennigstükke
     zu prägen, von denen zehn bzw. fünf immerhin einen nackten, baren Pfennig ergäben) und für eine Zigarette im Wert von zweieinhalb
     Pfennigen, für insgesamt also zweiundzwanzigkommafünf |158| Pfennige, sich hingeben und sogar zusätzliche Zärtlichkeitswünsche erfüllt haben?
    Es ist anzunehmen, daß die Anzeiger des Lebensgütercomputers sich in ständiger

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