Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
über G.),
in einem zweieinhalb Zimmer großen steinernen (Backstein-)Schuppen, von dem aus er seine beiden Treibhäuser bequem betreten
kann. Grundtsch hat nicht wie Pelzer von der Friedhofserweiterung profitiert (auch nicht profitieren wollen, wie hinzugefügt
werden muß) und verteidigt »den Morgen Treibhäuser, den ich ihm seinerzeit dummerweise geschenkt habe« (Pelzer), verbissen.
»Es ist praktisch so, daß das Garten- und Friedhofsamt erleichtert aufatmen wird, wenn er ab-, wenn er die Kurve – na, wenn
er das Zeitliche segnet, drücken wirs so aus.«
Inmitten des Friedhofs, der nicht nur die einigen Hektar der Gärtnerei Pelzer, auch andere Gärtnereien und Steinmetzwerkstätten
längst geschluckt hat, führt Grundtsch ein fast autarkes Leben: ohnehin im Genuß einer Invalidenrente (»Ich hab doch für ihn
weitergeklebt.« P.), wohnt er mietfrei, züchtet seinen Tabak und sein Gemüse selbst, und da er Vegetarier ist, hat er nur
geringe Versorgungsprobleme; Kleiderprobleme hat er kaum – immer noch trägt er eine Hose des alten Gruyten, die jener sich
1937 schneidern ließ und die Leni Grundtsch 1944 schenkte. Er hat sich (Selbstzitat) ganz aufs »Saisontopfgeschäft« verlegt
(Hortensien zum Weißen Sonntag, Alpenveilchen und Vergißmeinnicht zum Muttertag, Weihnachten |180| kleine Topftannen, mit Schleifen und Kerzen garniert für die Gräber – »was die alles auf ihre Gräber schleifen – nicht zu
fassen«).
Der Verf. hatte den Eindruck, daß die Gartenverwaltung, falls sie tatsächlich auf G.s Tod spekuliert, noch einige Zeit warten
muß. Er ist nämlich durchaus nicht, was von ihm behauptet wird, »ein Stuben- und Treibhaushocker« (städtische Gartenarbeiter),
sondern benutzt den inzwischen riesigen Friedhof »nach Geschäftsschluß, wenns gebimmelt hat, und das ist meistens recht früh,
als Privatpark; ich mache ausgiebige Spaziergänge, rauche da und dort auf der Bank mein Pfeifchen, und wenn mir die Laune
danach steht, mach ich mich auch mal an ein vernachlässigtes oder vergessenes Grab und geb ihm ne vernünftige Grundlage, Moos
oder Tannengrün, hin und wieder mal ne Blume drauf, und glauben Sie mir, außer ein paar Buntmetalldieben bin ich noch keinem
begegnet; natürlich gibt es hin und wieder ein paar Verrückte, die nicht glauben wollen, daß einer tot ist, wenn er tot ist;
die klettern über die Mauer, um auch nachts am Grab zu weinen, zu fluchen, zu beten, zu warten – aber das hab ich in fünfzig
Jahren nur zwei-, dreimal erlebt – und dann hab ich mich natürlich verzogen, und dann taucht so alle zehn Jahre vielleicht
mal ein furcht- und vorurteilsloses Liebespaar auf, das begriffen hat, daß es kaum einen Ort auf der Welt gibt, wo man so
ungestört ist – und auch dann habe ich mich natürlich verzogen, und inzwischen weiß ich natürlich nicht mehr, was alles so
in den Außenbezirken des Friedhofs passiert – aber ich sage Ihnen, auch im Winter ist das schön, wenns schneit, und ich gehe
dick vermummt mit meinen Filzstiefeln und meiner Pfeife nachts da spazieren – es ist so still, und die sind alle ganz friedlich,
friedlich. Schwierigkeiten habe ich natürlich mit all meinen Freundinnen gehabt, wenn ich sie mal mit auf meine Bude nehmen
wollte: nichts zu machen, sage ich |181| Ihnen – und je weniger war zu machen, je huriger sie waren, da half auch kein Geld.«
Auf Leni angesprochen, wurde er fast verlegen. »Ja, natürlich die Pfeiffer – mich derer erinnern! Als wenn ich die vergessen
könnte! Die Leni. Natürlich waren alle Männer hinter ihr her, irgendwie alle, auch das schlaue Walterchen (womit der inzwischen
siebzigjährige Pelzer gemeint ist. Der Verf.), aber getraut hat sich keiner recht. Die war unnahbar, nicht auf ne zimperliche
Tour, das muß ich sagen, und ich als der Älteste – ich war damals schon Mitte fuffzig – hab mir erst gar nicht Chancen ausgerechnet,
von den anderen hats wohl nur der Kremp versucht, den wir den ›miesen, fiesen Heribert‹ nannten, und den hat sie auf ne kühle
schnippische Art so endgültig abfahren lassen, daß ers drangab. Wie weit es das Walterchen mit ihr probiert hat, weiß ich
nicht – aber bestimmt hat er nichts bei ihr erreicht, und sonst waren ja nur Frauen da, kriegsbedingt, versteht sich, und
die Frauen waren ziemlich gleichmäßig geteilt für und gegen – nicht sie, sondern diesen Russen, von dem sich dann später herausstellte,
daß er der
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