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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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genannt werden möchte, eine Rolle gespielt hat, obwohl sie bescheiden ableugnet, »dabei von Hilfe gewesen
     zu sein«. Immerhin blieben noch zwei Zimmer zur »Bewirtschaftung« frei, »und die fürchterlichen Pfeiffers, inzwischen aus
     ihrem Karnickelstall durch eine Sprengbombe vertrieben (Lotte H.), setzten alle Hebel in Bewegung, ›mit unserer lieben Schwiegertochter
     unter einem Dach zu wohnen‹. Der alte Pfeiffer genoß das Bombengeschädigtsein wie sein Humpelbein, er war geschmacklos genug
     zu sagen: ›Nun habe ich dem Vaterland auch noch meinen redlich erworbenen bescheidenen Besitz geopfert‹ (Lotte H.). Natürlich
     bekamen wir alle einen Schrekken, dann aber kriegte Margret durch ihren Bonzen (?? Der Verf.) heraus, daß der alte Pfeiffer
     kurz davorstand, mit seiner Schulklasse landverschickt zu werden, wir gaben nach – und hatten sie tatsächlich drei Wochen
     lang auf der Pelle sitzen, dann mußte er trotz seines Schleifbeines in die Landverschickung, nahm die miese Olle mit, und
     wir hatten nur noch den netten Heinrich Pfeiffer bei uns wohnen, der sich freiwillig gemeldet hatte und nur noch auf seine
     Einberufung wartete, und das gerade kurz nach Stalingrad« (Lotte H.).
     
    Es verursachte einige Schwierigkeiten, über Lenis Hauptgegner in der Gärtnerei Verbindliches zu erfahren; auf den Gedanken,
     die Kriegsgräberfürsorge einzuspannen, kam der Verf. erst, nachdem er Einwohnerregister, Regimentslisten etc. reichlich und
     ohne Erfolg durchstöbert hatte. Eine Anfrage bei der Kriegsgräberfürsorge ergab, daß ein Heribert Kremp, 25 Jahre alt, Mitte
     März in der |187| Nähe des Rheins gefallen und nahe der Autobahn Frankfurt–Köln beerdigt sei; von der Adresse von Kremps Grab zur Adresse seiner
     Eltern zu gelangen, war nicht schwierig, wenn auch das Gespräch mit ihnen höchst unerfreulich war; sie bestätigten, daß er
     in Pelzers Gärtnerei gearbeitet, dort »wie überall, wo er lebte und wirkte, für Ordnung und Sauberkeit sich eingesetzt hat
     – und dann war er nicht mehr zu halten, als das Vaterland so arg bedrängt war, er meldete sich, obwohl oberschenkelamputiert,
     Anfang März freiwillig zum Volkssturm und fand den schönsten Tod, den er sich wünschen konnte«. Die Eltern Kremp schienen
     den Tod ihres Sohnes als durchaus normal zu empfinden, erwarteten vom Verf., was er ihnen nicht bieten konnte: ein paar anerkennende
     Worte, und da er auch angesichts des Fotos, das ihm gezeigt wurde, nicht sehr herzlich reagierte, schien es ihm besser, sich
     rasch – wie von Frau Schweigert – zu verabschieden; das Foto zeigte einen (dem Verf.) wenig sympathischen Menschen, breitmündig
     und mit kurzer Stirn, wolligem blondem Haar und Knopfaugen.
     
    Um die Adressen dreier noch lebender weiblicher Zeugen aus Lenis Kriegsgärtnereitätigkeit aufzutreiben, bedurfte es nur eines
     linearen Auskunftbegehrens beim Einwohnermeldeamt, das nach Hinterlegung einer entsprechenden niedrigen Gebühr befriedigt
     wurde. Die erste, Frau Liane Hölthohne, die seinerzeit das Kranzabnahmekommando anführte, jetzt siebzig, ist Inhaberin einer
     vier Läden umfassenden Kette von Blumengeschäften. Sie bewohnt einen ungemein hübschen kleinen Bungalow, vier Zimmer, Küche,
     Diele, zwei Bäder, in einem fast noch ländlichen Vorort, ist mit makellosem Geschmack eingerichtet, Farbtönung und Formgepräge
     entsprechen einander, und da sie ohnehin in Büchern fast erstickt, ist sie innenarchitektonisch in jedem Fall gerettet. Sie
     war nüchtern, |188| jedoch nicht unfreundlich, silberhaarig gepflegt, und vom Foto eines Betriebsfestes, das im Jahre 1944 aufgenommen wurde und
     von Pelzer gezeigt wurde, hätte wohl keiner in der kleinen, etwas gedrungen wirkenden Frau mit Kopftuch und strengem Gesicht
     die zarte Altersschönheit wiedererkannt, die sich nun dem Verf. würdig und reserviert präsentiert; Ohrringe aus einem zarten
     Silbergeflecht, körbchenförmig, in denen je eine rundgeschliffene, lose Koralle zitterte, machten, da sie außerdem noch ihre
     immer noch pigmentstarken braunen Augen lebhaft bewegte, ihren Kopf zu einem vierfach bewegten, die Augen beunruhigenden Visierobjekt:
     es bebten die Ohrringe, es bebten in den Ohrringen die Korallen, es bebte ihr Kopf, und in ihrem Kopf bebten die Augen; ihr
     Make-up, die leicht geschrumpfte Haut an Hals und Handgelenken wirkten gepflegt, doch keineswegs so, als versuche Frau H.
     ihr Alter zu verheimlichen. Tee, Petits fours, Zigaretten in

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