Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
Unterlage oder für die Endform verwendet wird, wann er wo Thuja, Islandmoos, Mäusedorn,
Mahonie und Hemlocktanne |177| zu verwenden hat? Wer weiß, daß das Grün in jedem Fall lückenlos aufsitzen muß, daß immer und überall binderische Leistung
erwartet wird? So wird man einsehen, daß Leni, die bisher nur leichte und unsystematische Büroarbeit getan hat, hier keineswegs
auf ein leicht zu begehendes Gelände, ein leicht zu beherrschendes Handwerk, daß sie fast in eine Kunstwerkstatt hineingeriet.
Es ist vielleicht überflüssig festzustellen, daß der »gerömerte Kranz« eine Zeitlang in Verruf geriet, als das Germanische
sehr stark in den Vordergrund gerückt wurde; daß aber Kontroversen darüber abgebrochen wurden, als die Achse zustande kam
und Mussolini sich ziemlich barsch die Diffamierung des gerömerten Kranzes verbat; das Verb »römern« dann bis Mitte Juli 43
ungehindert benutzt werden konnte, dann aber angesichts des italienischen Verrats endgültig ausgemerzt wurde (Kommentar eines
ziemlich hohen Naziführers: »Hierzulande wird nicht mehr gerömert, nicht einmal mehr beim Kranz- und Blumenbinden«) – jeder
aufmerksame Leser wird gleich verstehen, daß in politisch extremen Situationen nicht einmal das Kranzbinden ein ungefährliches
Geschäft ist. Da der Römerkranz außerdem als Nachbildung in Stein gehauener Schmuckkränze an römischen Fassaden entstanden
war, ergab sich sogar für ein striktes Verbot eine ideologische Begründung: er wurde als »tot«, alle anderen Kranzformen für
»lebendig« erklärt. Walter Pelzer, der als Zeuge für jene Lebenszeit von Leni wichtig ist, wenn er auch anrüchig sein mag,
konnte halbwegs plausibel nachweisen, daß er Ende 43, Anfang 44 »von Neidern und Konkurrenten« bei der Handwerkskammer denunziert
worden sei, mit der »lebensgefährlichen« (Pelzer) Aktennotiz versehen wurde: »römert noch«. »Verflucht, das hätte damals an
den Kragen gehen können« (P.). Natürlich hat Pelzer nach 1945, als seine anrüchige |178| Vergangenheit zur Sprache kam, sich »und nicht nur deswegen« als »politisch Verfolgter« auszuweisen versucht und – wie leider
festgestellt werden muß, durch Lenis Mithilfe – mit Erfolg. »Denn das waren doch die Kränze, die sie – die Leni, ich meine
die Pfeiffer – tatsächlich selbst erfunden hatte: straffe, glatte Kränze aus Heidekraut, die tatsächlich wie emailliert wirkten,
aber – das kann ich Ihnen sagen – beim Publikum ankamen. Das hatte mit Römern und so nicht das geringste zu tun – es war eine
Erfindung von der Pfeiffer. Aber das ist mir fast an den Kragen gegangen, weil es als Römer-Variation ausgelegt wurde.«
Pelzer, inzwischen siebzig, der im Ruhestand lebt, von seinen Liegenschaften, bekam noch nach sechsundzwanzig Jahren einen
überzeugend angstvollen Ausdruck und mußte vorübergehend, da er mit einem Hustenanfall zu rechnen schien, seine Zigarette
aus der Hand legen. »Und überhaupt – was ich für die getan, was ich da alles gedeckt habe – das war wirklich lebensgefährlich,
schlimmer als der Verdacht der Römerei.«
Von den zehn Personen, mit denen Leni nun für lange Zeit eng, nah und täglich zusammenarbeitete, konnten immerhin, Pelzer
selbst und seinen Gartenmeister Grundtsch eingeschlossen, noch fünf aufgetrieben werden. Bezeichnet man Pelzer und Grundtsch
korrekterweise als Lenis Vorgesetzte, so bleiben von den acht, mit denen sie mehr oder weniger gleichberechtigt zusammengearbeitet
hat, immerhin noch drei.
Pelzer bewohnt ein architektonisches Gebilde, das er selbst zwar Bungalow nennt, das man aber getrost als bombastische Villa
(er spricht das Wort Villa nicht wie Filla aus) bezeichnen kann, ein gelb verklinkertes, nur scheinbar einstöckiges Gebäude
(der ausgebaute Keller enthält eine luxuriöse Bar, einen Hobbyraum, in dem Pelzer eine Art Kranzmuseum eingerichtet hat, ein
Gästeappartement |179| und einen bestens bestückten Weinkeller); die nächst Gelb (Klinker) vorherrschende Farbe ist Schwarz: Gitter, Türen, Garagentor,
Fensterumrandungen – alles schwarz. Die Assoziation Mausoleum erscheint als nicht unbegründet. Pelzer bewohnt das Haus mit
einer ziemlich melancholisch wirkenden Frau, Eva geb. Prumtel, die Mitte sechzig sein mag und ihr hübsches Gesicht durch Bitterkeit
entstellt.
Albert Grundtsch, jetzt achtzig, lebt immer noch in »seinem Gehäuse verkrochen, praktisch auf dem Friedhof« (G.
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