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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Erwählte ihres Herzens war. Wenn Sie sich vorstellen, daß die ganze Geschichte fast eineinhalb Jahre gedauert hat
     – und keiner, nicht einer von uns was Ernsthaftes bemerkt hat: die sind geschickt und vorsichtig gewesen. Nun, es stand ja
     auch was auf dem Spiel: zwei Hälse, bestimmt einer und ein halber. Verflucht, es läuft mir nachträglich noch eiskalt den Rücken
     runter bis in den Arsch, wenn ich dran denke, was das Mädchen riskiert hat. Fachlich? Wie sie fachlich war? Nun, ich bin vielleicht
     voreingenommen, weil ich sie gern hatte, richtig gern, manchmal wie man ne Tochter gern hat, die man nie gehabt hat, oder
     – immerhin war ich dreiunddreißig Jahre älter als sie – wie ne Geliebte, die man nie kriegt. Na, sie war einfach eine Naturbegabung
     – damit ist alles gesagt. Wir hatten nur zwei gelernte Gärtner da, wenn Sie den |182| Walter mitrechnen drei, aber der hatte nur seine Bücher und seine Kasse im Kopf. Zwei also: die Hölthohne, das war mehr so
     ne jugendbewegte intellektuelle Gärtnerin, die hatte das Lyzeum absolviert, studiert und dann die Gärtnerei angefangen, romantische
     Person, von wegen Erde und Handarbeit – und so –, aber gekonnt hat sie was, dann ich. Alle anderen waren ja ungelernt, die
     Heuter, der Kremp, die Schelf, die Kremer, Wanft und Zeven – lauter Weiber, nicht mehr ganz so knusprig, jedenfalls keine,
     die man spontan mal gern zwischen Torfmull und Tüllmaterial aufs Kreuz hätte legen mögen. Nun, schon nach zwei Arbeitstagen
     war mir klar, daß die Pfeiffer für eins nie in Frage kommen würde, für die Erstellung der Kranzkörper, das ist ne grobe und
     relativ harte Arbeit, mit der die Gruppe Heuter-Schelf-Kremp beschäftigt war, die kriegten einfach ne Liste, ihren Haufen
     Bindegrün, je nach Versorgungslage später fast nur noch Eichenlaub, Buchenlaub, Waldkiefer und dann die Größe angegeben –
     meistens Normalgröße, aber für feierliche Begräbnisse hatten wir ne Abkürzungsvereinbarung, B1, B2, B3 – was bedeutete: Bonze
     erster, zweiter, dritter Klasse; als dann später rauskam, daß wir buchhaltungsintern auch die Bezeichnung H1, H2, H3, für
     Helden erster, zweiter, dritter Klasse, hatten, gabs Krach mit diesem miesen, fiesen Kremp, der darin irgendwelche Beleidigungen
     erblickte und sich selbst mit beleidigt fühlte, weil er ein Held zweiter Klasse war: amputiert, Bein, und ein paar Orden und
     Ehrenzeichen; also die Leni paßte in die Kranzkörpergruppe nicht rein, das hab ich gleich gesehen und sie in die Garnierungsgruppe
     gesteckt, wo sie mit der Kremer und der Wanft zusammenarbeitete – und ich sage Ihnen, sie war ein Naturgenie der Garnierung
     oder, wenn Sie wollen, eine Tüllungs-Kanone. Sie hätten mal sehen sollen, wie die mit Kirschlorbeerblättern umgehen konnte,
     mit Rhododendrongrün, der konnte man |183| das kostbarste Material in die Hand geben: da ging nichts verloren, wurde nichts geknickt – und sie hatte sofort begriffen,
     was manche nie begreifen: der Kernpunkt, der Schwerpunkt der Garnierung muß sich im linken oberen Viertel des Kranzkörpers
     befinden; damit gerät eine fröhliche, fast könnte man sagen optimistische Aufwärtsbewegung in den Kranz; wenn Sie rechts den
     Garnierungsschwerpunkt setzen, entsteht ein pessimistischer Eindruck des Abgleitens. Und die wäre nie auf die Idee gekommen,
     geometrische Garnierungsformen mit vegetativen zu mischen – nie sage ich Ihnen. Die war ne Entweder-oder-Type – und das können
     Sie sogar beim Garnieren eines Kranzes beobachten. Was ich ihr allerdings austreiben mußte, immer wieder und energisch: sie
     hatte ne Vorliebe für rein geometrische Formen – Rhomben, Dreiecke –, und tatsächlich hatte sie einmal – und das bei einem
     B-1-Kranz – aus lauter geometrischer Spielerei, bestimmt nicht beabsichtigt, nen Davidstern aus Margueriten hineingezaubert,
     er war einfach so ihren Händen entsprungen, und sie weiß wahrscheinlich bis heute nicht, warum ich so nervös wurde, daß ich
     regelrecht bös mit ihr war: stellen Sie sich vor, der Kranz wäre unkontrolliert bis auf den Leichenwagen geraten – und überhaupt,
     die vagen vegetativen Formen mochten die Leute lieber, und Leni konnte da hübsch improvisieren: kleine Körbchen reinflechten,
     Vögelchen sogar – nun jedenfalls, wenns nicht gerade vegetativ war, so doch organisch – und wenn mal bei einem B-1-Kranz Rosen
     fällig waren, Walterchen auch tüchtig Rosen rausrückte, wenns gar noch

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