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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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ein paar Westfalen dazu, wenns denn nicht anders geht, aber was bringen die uns denn ein? Klerikalismus,
     Heuchelei und vielleicht Kartoffeln – ich weiß nicht genau, was die da anbauen, interessiert mich auch nicht – und die Wälder
     und Felder, na, meinetwegen, |237| die kann ich auch nicht mit nach Hause nehmen – die bleiben schön da stehen, aber meinetwegen ein paar Westfalen dazu. Mehr
     nicht. Die sind doch dauernd nur beleidigt, fühlen sich zurückgesetzt, meckern darum und quengeln wegen der ›Sendezeitproportion‹
     und ähnlichem Quark. Nur Ärger mit denen. Das ist ja das großartige an der Leni, daß sie so rheinisch ist. Und ich muß Ihnen
     was sagen, das halten Sie bestimmt für komisch: der Boris kam mir rheinischer vor als die anderen, den Pelzer ausgenommen,
     der hatte genau die Mischung von Kriminalität und Humanität, wie sie nur hier möglich ist. Es stimmt schon, er hat niemand
     was getan, am ehesten noch dem Kremp, den hat er schikaniert, wo er nur konnte, und weil der Kremp ja ein Nazi war, könnte
     man meinen, Pelzer wäre doch kein Opportunist gewesen, aber gerade das wäre ein Irrtum: es war angesichts der Mehrheitsverhältnisse
     durchaus opportun, den Kremp als einzigen zu schikanieren – denn der war einfach unbeliebt, sogar bei den beiden anderen Nazis,
     er war einfach ein ungemütlicher Kerl, auf ne fiese Art hinter Frauen her. Und doch, doch muß ich versuchen, ihm gerecht zu
     werden, er war ein junger Kerl und hatte schon 1940 als Zwanzigjähriger sein Bein verloren – und wer will sich schon gern
     klar werden oder klarmachen lassen, daß es letzten Endes sinnlos war oder ist? Und wir wollen uns doch klar darüber sein,
     daß diese Jungs in den ersten Monaten wie Helden gefeiert und von Weibern umlagert waren – aber dann wurde, je länger der
     Krieg dauerte, ein Bein ab immer alltäglicher und banaler, und später hatten die mit zwei Beinen eben einfach mehr Chancen
     als die mit nur einem oder keinem. Ich bin eine aufgeklärte und fortschrittliche Frau und erkläre Ihnen den sexuellen und
     erotischen Status und die psychologische Situation dieses Jungen eben so. Mein Gott, was war schließlich Anfang 44 schon ein
     Beinamputierter? Nichts als ein armes Schwein, mit einer |238| popeligen Rente – und stellen Sie sich doch getrost einmal vor, wie das ist, wenn so einer in der entscheidenden sexuellen
     Situation sein Bein abschnallt? Scheußlich, für ihn und für den Partner, und mags auch ne Hure sein. (Oh, dieser herrliche
     Tee bei ihr, und muß der Verf. es als Sympathieerklärung auffassen, daß bei seinem dritten Besuch der Aschenbecher immerhin
     schon die Größe einer Mokkatassenuntertasse hatte? Der Verf.) Und dann war da dieser durch und durch gesunde Pelzer, den Sie
     als klassisches Beispiel für das mens sana in corpore sano nehmen können, was Sie nur bei Kriminellen finden, ich meine bei durch und durch gewissenlosen Menschen. Gewissenlosigkeit
     macht gesund, das sage ich Ihnen. Der ließ sich kein Geschäft entgehen, keins. Mit den Wachsoldaten, die Boris morgens brachten
     und abends abholten, machte er noch nebenbei Geschäfte mit Cognac, Kaffee und Zigaretten – die fuhren nämlich ungefähr jede
     Woche als Transportbegleiter nach Frankreich oder Belgien und brachten kistenweise Cognac, Zigarren und Kaffee mit, auch Stoff;
     sie konnten bei diesen Kerlen sogar Waren bestellen , richtig wie in einem Laden. Der eine, er hieß Kolb und war ein älterer, übrigens ziemlich schmieriger Kerl, brachte mir
     mal Samt für ein ganzes Kleid aus Antwerpen mit, der andere, er hieß Boldig und war jünger, ein fröhlicher Nihilist, wie sie
     von Anfang 1944 dutzendweis produziert wurden. Ein munterer Knabe, sage ich Ihnen, der ein Glasauge hatte und eine Hand ab,
     eine ganz nett dekorierte Soldatenbrust, der ganz zynisch sein verlorenes Auge, seine verlorene Hand und das Silber auf seiner
     Brust zu seinem Vorteil einsetzte, so wie man Spielmarken einsetzt. Dem waren Führer, Volk und Vaterland so Wurscht, wie sie
     nicht einmal mir waren, denn schließlich, wenn ich auch auf den Führer gern verzichten konnte, bin ich für ein rheinisches
     Vaterland, für das rheinische Volk. Nun, der machte sich nichts draus, mit der Schelf, |239| die nach Leni die Knusprigste von uns war, mal kurz nach hinten ins Treibhaus zu gehen und mit ihr, wie er es nannte: ›Ein
     Mäuschen zu fangen‹ oder ›Eine Meise singen zu hören‹, angeblich, um sich von ihr

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