Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
Garnierungstisches, und weil er natürlich zusammen mit der Hölthohne ein Abnahmekommando war, wie ichs mir besser nicht
wünschen konnte. Also: Umdisponierung. Die Zeven zurück zum Körpertisch, sie murrte ein bißchen, aber ich machte das mit ner
Draufzahlung wett, und die Folge: die Produktion stieg um nachweisbar 12–15 Prozent. Wundert Sie das, daß mir daran lag, ihn
zu halten und dafür zu sorgen, daß ihm nichts passierte? Da waren ja auch noch die Parteigenossen, die mich – manchmal direkt
und manchmal durch die Blume – wissen ließen, ich sollte dafür sorgen, daß ihm nichts passiert, der genösse hohe Protektion.
Nun, so einfach war das nicht; so ein mieser kleiner Schnüffler wie der Kremp, die hysterische Wanft – die konnten den Laden
auffliegen lassen. Und keiner, auch die Leni, nicht mal der Grundtsch haben gewußt, daß ich ihm in meinem privaten kleinen
Treibhaus sechs besonders |235| gut gedüngte Quadratmeter für Tabak, Gurken und Tomaten überlassen habe.«
Der Verf. muß gestehen, daß er, was die überlebenden Zeugen aus der Kriegskranzbinderzeit betrifft, den Weg des geringsten
Widerstands vorzog und die Zeugen entsprechend ihrer Zugänglichkeit am häufigsten besuchte. Da die Wanft ihm beim zweiten
Besuch noch ostentativer als beim ersten den Rücken zukehrte, schloß er sie aus. Da Pelzer, Grundtsch, Kremer und Hölthohne
gleich zugänglich sind, auch gleich gesprächig – letzteres bei der Kremer etwas verringert –, fiel die Wahl oder Auswahl schwer;
bei der Hölthohne lockte ihr einzigartiger Tee und die präzis-geschmackvolle Einrichtung, auch ihre wohlkonservierte und gut
gepflegte Hübschheit sowie ihre offen gezeigten Neigungen zum Separatismus, die sich auf die Gegenwart erstreckten, das einzige,
was ihn bei der Hölthohne zögern ließ, war deren winziger Aschenbecher und ihre offensichtliche Abneigung gegen Kettenraucher.
»Nun gut, unser Land (womit das Bundesland Nordrhein-Westfalen gemeint ist. Der Verf.) hat also das höchste Steuereinkommen
und unterstützt steuerschwache Bundesländer – aber kommt je einer auf die Idee, die Leute aus den steuerschwachen Bundesländern
– die Schleswig-Holsteiner und Bayern zum Beispiel – einmal hierher einzuladen, damit sie auch mal nicht nur unsere Steuergroschen
schlucken, sondern auch unsere verpestete Luft, jene Luft, die einer der Gründe dafür ist, daß hier so viel Geld verdient
wird? Und unser schäbiges, gräßliches Wasser zu trinken – und wie wärs, wenn die Bayern mit ihren blitzsauberen Seen und die
Holsteiner mit ihren Meeresküsten mal kämen, um im Rhein zu baden, wo sie geteert auf jeden Fall und vielleicht sogar gefedert
wieder rauskämen. Und dann schauen Sie sich diesen |236| Strauß an, dessen ganze Karriere aus lauter ungeklärten Fällen besteht, ich sage ungeklärt, und ich sage außerdem obskur,
weil das dasselbe bedeutet – wie der auf unser Land schimpft (NRW – der Verf.), mit Schaum vor dem Mund fast – warum eigentlich?
Nun, weils hier eben ein bißchen fortschrittlicher zugeht. Den sollte man mal zwingen, drei Jahre mit Frau und Kindern in
Duisburg oder Dormagen oder Wesseling zu wohnen, damit er weiß, wos Geld herkommt und wies verdient wird – das Geld, das er
kassiert und auf das er dann noch schimpft, weil wir hier ne Landesregierung haben, die zwar keineswegs berauschend ist, aber
immerhin, immerhin doch wenigstens nicht CDU und schon gar nicht eine Spur CSU – verstehen Sie, was ich meine? Wieso muß ich
da ›Zusammengehörigkeitsgefühl‹ spüren, wieso? Hab ich das Reich gegründet, war ich je dafür, daß es gegründet wurde? Nein.
Was geht uns das eigentlich an, da oben und da unten und in der Mitte? Denken Sie doch mal drüber nach, wie wir in diesen
Verein hineingeraten sind? Doch nur durch die verfluchten Preußen – und was haben wir mit denen zu tun? Wer hat uns denn 1815
verschachert? Wir etwa selbst? Hätten wirs gewollt, hätte es etwas wie Abstimmung gegeben? Nein, sage ich Ihnen. Soll der
Strauß doch mal im Rhein baden und in Duisburg atmen – aber der bleibt in seiner gesunden bayerischen Luft und hat nen Ärgerkloß
im Mund, sobald er was von ›Rhein und Ruhr‹ quasselt. Was haben wir mit diesen provinziellobskuren Elementen zu tun? Haben
wir nicht unsere eigene Obskurität? Denken Sie doch einmal darüber nach! (Was der Verf. versprach.) Nein, ich bin und bleibe
Separatistin, meinetwegen
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