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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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am Endgarnierungstisch bei der
     Hölthohne, ich kanns beschwören – und das war schon nicht mehr naiv oder unbewußt, wie Sie wollen, denn sie hat sich ganz
     nett dabei umgeguckt und schon aufgepaßt –, da hat sie einfach ihre linke Hand auf seine rechte gelegt, und es ging durch
     ihn, obwohls nur ganz kurz dauerte, es ging durch ihn wien elektrischer Schlag. Der fuhr regelrecht in die Höhe wie bei ner
     Himmelfahrt. Ich habs gesehen und kanns beschwören, und sie wußte nicht, daß ichs gesehen habe, ich stand in meinem dunklen
     Büro und guckte aufmerksam nach draußen, weil ich doch sehen wollte, wie das mit dem Kaffee weitergehen würde. Wissen Sie,
     was ich dachte, es klingt vulgär, ich weiß, aber wir Gärtner sind nun mal gar nicht so zimperlich, wie manche Leute glauben;
     ich habe gedacht: Verflucht, die geht aber ran – Junge, geht die ran, hab ich gedacht, und bin regelrecht neidisch und eifersüchtig
     geworden auf den Russen. Die Leni war eine erotisch progressive Person, die hat sich nicht darum gekümmert, daß es Tradition
     ist, daß der Mann die Initiative ergreift: sie hats getan, indem sie ihm die Hand auflegte. Und wenn sie auch natürlich genau wußte, daß er in seiner Situation die Initiative
     gar nicht ergreifen konnte, so wars doch beides: es war erotisch und politisch ne Kühnheit, fast ne Frechheit.«
    Von beiden (von Leni durch Margret, von Boris durch Bogakov) ist wörtlich überliefert, übereinstimmend, daß |233| sie beide »sofort in Flammen« gestanden haben, und wie wir von Bogakov wissen, erging es Boris nach Art des Mannes, und wie
     wir von Margret wissen, hatte Leni ein Erlebnis, das »viel schöner war als diese Heidekrautgeschichte, die ich dir mal erzählt
     habe«.
     
    Pelzer zu Boris’ fachlichen Fähigkeiten: »Sie können mir glauben, daß ich mich mit Menschen auskenne, und ich habe am ersten
     Tag gewußt, daß der Boris, dieser Russe, eine hochintelligente Person mit organisatorischen Fähigkeiten war. Inoffiziell war
     er schon nach drei Tagen Grundtschs Stellvertreter bei der Endabnahme, und er kam gut mit der Hölthohne und der Zeven aus,
     die ihm praktisch unterstellt waren, aber natürlich nicht merken durften, daß sie ihm unterstellt waren. Er war auf seine
     Art ein Künstler und hatte ziemlich rasch begriffen, worauf es ankam: Materialersparnis. Und keine Emotionen, wenn es um Schleifenaufschriften
     ging, die ihm doch ziemlich gegen den Strich gegangen sein müssen. ›Für Führer, Volk und Vaterland‹ oder ›SA-Sturm 112‹, und
     mit Hakenkreuzen und Hoheitsadlern den ganzen Tag lang umgehen, das brachte den nicht aus der Ruhe. Nun, ich hab ihn mal so
     ganz privat in meinem Büro, wo er später den Schleifenschrank und die Schleifenbuchhaltung selbständig verwaltete, gefragt:
     ›Boris, nun sagen Sie mir mal offen, wie Ihnen denn zumute ist, mit all den Hakenkreuzen, den Hoheitsadlern und so?‹ Er hat
     keine Sekunde mit der Antwort gezögert, ›Herr Pelzer‹, hat er gesagt, ›es kränkt Sie doch hoffentlich nicht – da Sie mich
     so offen fragen –, wenn ich feststelle: Es liegt ein gewisser Trost darin, nicht nur zu ahnen und zu wissen, sondern auch
     zu sehen, daß auch die Angehörigen eines SA-Sturms sterblich sind – und was die Hakenkreuze und Hoheitsadler betrifft, so
     bin ich mir meiner historischen Situation vollkommen bewußt.‹ Für mich wurde er zusammen |234| mit Leni fast unentbehrlich, ich möchte das ausdrücklich betonen, wenn ich ihm nicht nur nichts tat, sondern ihm Vergünstigungen
     verschaffte – und dasselbe gilt für das Mädchen –, so hatte das auch einen geschäftlichen Sinn. So ein weltfremder Menschenfreund
     bin ich gar nicht, habs auch nie behauptet. – Der Junge hatte einfach einen phantastischen Ordnungssinn und ein Talent für
     Organisation – und er kam gut mit den Leuten aus, sogar die Wanft und die Schelf ließen sich, weil ers so geschickt machte,
     von ihm was sagen. Ich sage Ihnen, der hätte es in der freien Marktwirtschaft zu was gebracht. Nun, er war natürlich Ingenieur
     und hat wahrscheinlich seine Mathematik gekannt, aber er hat als erster gemerkt, obwohl ich doch den Laden schon fast zehn
     Jahre betrieb und Grundtsch schon fast vierzig im Geschäft war – keiner von uns hats bemerkt, und nicht mal die kluge Hölthohne
     ist drauf gekommen –, daß das Körper- – ich meine Kranzkörperkommando – unterbesetzt war angesichts der Leistungsfähigkeit
     des

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