Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
dann rollte er sie auf die Seite, damit sie nicht erstickte. Ihre Haut war weiß im Mondlicht, beinahe leuchtend in ihrer blutleeren Blässe.
»Sheila?«, rief er noch einmal, diesmal lauter, so dass seine Stimme das strömende Wasser übertönte. Ihre Augenlider zuckten schwach und sie hustete erneut. Dann gingen ihre Augen auf und sie stützte sich auf einen Ellbogen, während Wasser aus ihren Haaren auf den grauen Stein lief.
»K–kalt«, sagte sie mit klappernden Zähnen. Frank wurde an sein eigenes Frostgefühl erinnert, das sich tief wie Zahnschmerz in ihm eingenistet hatte. Aber angesichts dieses Wunders stellte er seine eigenen Beschwerden hintenan. Wie lange war sie unter Wasser gewesen? Zwei Minuten? Drei? Fünf?
»Bist du okay?«, fragte er, wobei er, als er sie aussprach, schon wusste, wie dämlich diese Frage war.
»Wenn du ... das nächste Mal ... mit mir schwimmen gehst«, sagte sie keuchend, während das in ihrem Hals gefangene Wasser rasselte, »können wir dann ... ein beheiztes Becken nehmen?«
Sie setzte sich auf, zog die Knie an die Brust und umschloss sie mit den Armen. Ihr Körper schauderte und Frank presste sich an sie, obwohl er nur wenig Körperwärme anzubieten hatte.
»Du hast mein Leben gerettet«, sagte er ihr. Sie fühlte sich gut an in seinen Armen, auch mit kaltem Körper.
»Nein ... du hast mein Leben gerettet«, antwortete sie. Ihre Schultern hoben und senkten sich, während sie tief und gleichmäßig atmete. Sie erholte sich schnell.
Zu schnell.
Es musste eine Luftblase im Wagen gegeben haben, vielleicht hinten bei der Heckscheibe, wo ihr Kopf gewesen war. Das war die einzige Erklärung. Das oder vielleicht gab es wirklich einen Gott, vielleicht wurden Gebete manchmal erhört und passierten manchmal Wunder.
Frank blickte hoch zu dem tiefschwarzen Meer des Himmels über ihnen, zu den zwinkernden blauweißen Sternen, die sich in die Unendlichkeit erstreckten. Dann sammelte er den brackigen Nachgeschmack des Flusses in seinem Mund und spuckte in das dunkle Wasser. Natürlich, Gott hatte gerade mal eben eine Pause von seiner Arbeit gemacht, die Sterne am Leuchten zu halten, um tatsächlich ein menschliches Wesen zu retten. Das war lachhaft.
Gott hatte sich nicht bemüht, Samuel zu retten oder Franks Vater und Mutter. Er hatte weder Boonie Houck noch Zeb Potter noch Donna Gregg gerettet. Zum Teufel, wenn man es genau nahm, hatte er nicht mal seinen eigenen Sohn, Jesus, gerettet. Gott war kalt und gefühllos, so fern wie das Blaue hinter den Sternen. Gott verdiente nicht einmal Franks Hass, sondern nur die Gleichgültigkeit, mit der er selbst all jene bedachte, die ihn verehrten, also spuckte Frank noch einmal aus und wandte sich dann wieder Sheila zu.
»Sind wir schon tot?«, fragte Sheila. In ihren Augen leuchteten ihr alter Sarkasmus und ihr Elan, und vielleicht das kleine Funkeln, das man nur bekommt, wenn man das Licht am Ende des Lebens gesehen hat.
»Nein, aber dir steht so viel Papierkram bevor, dass du wünschen wirst, du wärst es«, sagte er. »Du hast einen Streifenwagen des Pickett County zerstört und die Steuerzahler werden eine Erklärung verlangen.«
»Und das Schlimmste daran ist, dass du das nur halb im Scherz meinst« sagte sie, gefolgt von einem Lachen, das in ein Husten mündete.
»Dieser Frankie ist einfach zum Schießen«, kam eine Stimme aus den Schatten am Flussufer.
Franks Bluttemperatur stürzte ganz auf null. Sheila verkrampfte unter seiner Umarmung.
Eine milchige Gestalt trat zwischen den dunklen Bäumen hervor.
»Samuel?«, fragte Frank.
»Dachte schon, dass du diesmal für immer getauft wirst«, sagte der tote Junge. »Jemand da oben muss dich mögen.«
Frank hatte oft von den Entschuldigungen geträumt, von denen er wünschte, sie bei Samuel vorbringen zu können, von all den Wegen, wie er die Dinge in Ordnung bringen konnte, von einhundert verschiedenen Arten zu sagen, dass es ihm leid tat. Aber nun, da er die Gelegenheit hatte, war alles, wozu er fähig war, blöde auf den Geist seines Bruders zu starren. »Du meinst Gott?«
Samuels Gelächter waberte über den Fluss wie ein schwermütiger Nebel.
»Nein«, kam die hohle Stimme. Der Geist drehte seinen Kopf in Richtung der Böschung zum Hügel, wo orangene Lichter aus der Kirche zwischen den Bäumen flackerten. »Ich meine Archer McFall. Der, der Gott besitzt.«
»Samuel?« Frank erhob eine zitternde Hand, als ob er das Ding, das nicht da sein konnte, das nicht existieren konnte,
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