Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
einem menschlichen Flüstern. Er nahm das Messer, wischte es an seinem Hosenbein ab und blickte sein Spiegelbild auf der Klinge an. Im Neonlicht sah er grün und kränklich aus, so als ob nicht Jacob, sondern er vor zwei Tagen gestorben wäre. Aber Barnaby würde sich um die Hautfarbe kümmern. Barnaby war so zuverlässig wie die Sonne.
Er führte die Klinge an den Kuchen und wollte gerade ein dickes Stück davon abschneiden, als Marlene in die Küche kam.
»Mom möchte ein Stück davon«, sagte sie.
»Ich dachte, sie hätte keinen Hunger.«
»Sie wissen, wie das ist, wenn man trauert. Die Hälfte der Zeit bringt man keinen Bissen runter, die andere Hälfte möchte man sich vollstopfen, bis man platzt.«
»Dann werde ich ihr ein Stück abschneiden. Könnten Sie mir einen Teller geben?«
»Mom redet die ganze Zeit von Beverly Parsons’ Kuchen. Daddy hat davon geschwärmt, wissen Sie. Immer, wenn wir von einer Kirchenveranstaltung nach Hause kamen, hat er sich auf die Couch geschmissen, die Hände auf den Bauch gelegt und gesagt, wenn er Beverly geheiratet hätte anstatt unserer Mutter, würde er nun schon zweihundert Kilo wiegen. Und dann schmiss Mom immer mit einem Nadelkissen nach ihm, manchmal ohne vorher die Nadeln rauszunehmen.«
»Nun, ihre Kuchen sind wirklich gut.«
»Und Dad blieb dünn wie eine Bohnenstange, obwohl Mom gar keine so schlechte Köchin ist.«
»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber die Stärke Ihrer Mutter ist Auflauf, vor allem wenn sie auf frisches Gemüse aus dem Garten zurückgreifen kann. Beverly ist eine Köchin für jede Jahreszeit.«
Marlene deutete ein Lächeln an. »Nicht so laut. Sie könnte Sie hören.«
Roby legte das Kuchenstück auf den Teller. Die Kruste fiel ab und lag mit ein paar braunen Krümeln auf dem Teller. Er hoffte, dass die Witwe auch die Krümel aufessen würde. Jeder Krümel erleichterte Jacobs Last, und wenn sich der Tote nicht einmal mehr auf seine Ehefrau verlassen konnte, damit sie ihm beim Übergang half, dann hatte er ein großes Problem.
Roby hatte Kondolenzbesuche und Leichenschmäuse erlebt, bei denen die Witwe bereits ihre Fühler nach einem neuen Gatten ausgestreckt hatte, mitten in der Trauerzeit. Bei einigen konnte man das Gefühl bekommen, sie hätten nachgeholfen, ihre Männer ins Grab zu befördern, eiskalt wie sie waren. So etwas war schon vorgekommen. Der Frau eines Farmers standen ein gutes Dutzend schmutziger Wege zur Verfügung, ihren Mann loszuwerden. Die meisten hatten sowieso schlechte Arterien, weil sie zu fett aßen, denn kein Teil eines Tieres wurde weggeschmissen.
Als Beleg dafür musste man nur einen Blick auf die Frikadellen aus dem Hause Clemens werfen.
Peggy Clemens hatte bereits Grabsteine für zwei Ehemänner aufstellen lassen und war dafür bekannt, dass sie den gesamten Schweinekopf mitsamt Hirn und allem kochte, dann die Knochen entfernte und das Ganze durch den Fleischwolf jagte. Roby wollte keine Stellung zu der ethischen Frage beziehen, ob man Hirn essen sollte oder nicht, aber man musste zugeben, dass eine Clemens-Frikadelle genügend Fett enthielt, um ein Scheunentor zum Glänzen zu bringen.
»Werden Sie Ihrer Mutter helfen, das Haus am Laufen zu halten?«, fragte Roby.
»Ich weiß nicht. Ich wohne allein in der Stadt und die Sache mit mir und Harold Pennefield wird langsam ernst.«
»Hab ich gehört. Automechaniker sind sicher nicht die schlechteste Wahl. Auf jeden Fall werden Sie immer ein Auto haben.«
»Ja. Ich mag zwar nicht, dass er nach Benzin riecht und immer diese schwarzen Halbmonde unter den Fingernägeln hat, aber er geht jeden Sonntag in die Kirche und lässt mich entscheiden, welchen Film wir uns angucken. Er hat mich sogar in dieses tolle Restaurant drüben in Glendale Springs ausgeführt, Sie wissen schon, welches ich meine.«
»Das Glendale Springs Inn heißt es. Ein reiches Paar aus Florida hat den Laden gekauft und ihn hergerichtet. Ihnen ist bestimmt kein besserer Name eingefallen.«
»Das Essen hat 30 Dollar gekostet, aber Harold hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Er hat mir sogar Wein nachschenken lassen, obwohl ein Glas vier Dollar kostete. Ich hab ihm nicht gesagt, dass der Wein wie Bremsflüssigkeit geschmeckt hat.«
»Sie sollten kochen lernen, damit er nicht so viel Geld für sie ausgeben muss.«
Marlene knickte ihre Hüfte ein wenig ein. Sie flirtete nicht wirklich, doch ließ Roby schon wissen, dass sie könnte, wenn sie wollte. »Er sagt, dass ich es wert bin, verwöhnt
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