Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
Fleisch zusammenzuhalten. Er war ein guter Junge, gutaussehend und anständig glattrasiert, mit der ganzen Welt zu seinen Füßen. Alles, was sich eine Mutter für ihren Sohn wünschen konnte.
Sie fühlte ein Ziehen in ihrem Herzen oder vielleicht war es ein Anfall von Herzgeräuschen. In der letzten Zeit hatte sie immer öfters Herzgeräusche. Gott bereitete sie auf die Fahrt in sein Königreich vor und ließ sie unter all den kleinen Krankheiten leiden, die zusammen die Qualen des Alters ergaben. Gott konnte ausgesprochen grausam sein, wenn ihm der Sinn danach stand. Aber er erlaubte auch, dass Gutes passierte. Wie Archer.
»Ich erinnere mich gerade«, sagte sie. »Als du klein warst, bist du immer dort rüber auf den Hügel gegangen und hast Stachelbeeren gesammelt. Du hast die Dinger gegessen, bis du ganz grün wurdest und dir den Magen verdorben hattest. Dann hab ich dich ins Bett gesteckt, dich zugedeckt und dir eine Tasse Pfefferminztee gemacht.«
»Und du hast mir Geschichten erzählt«, sagte Archer. Seine Stimme unterschied sich von der, die er im Fernsehen gehabt hatte. Sie war sanfter, bodenständiger, mit einem Schuss seines Akzentes der Berge von North Carolina zwischen diesen kalifornischen Worten.
»Aber gewiss. Du erinnerst dich wahrscheinlich an keine einzige dieser dummen Geschichten mehr.«
Archer lehnte sich nach vorne und schnüffelte. »Ich erinnere mich an alle.«
»An alle?«
»Ja. Das Alte Testament. Erzählungen von Jack. Geistergeschichten. Und die wirkliche Geschichte von Jesus. Nur, dass ich von der immer Alpträume bekam.«
»Ich hoffe, ich habe alles richtig gemacht. Es war nicht leicht, dich allein großzuziehen. Ich vermute, ich habe dabei ein paar Fehler gemacht, aber ich habe immer aus Liebe gehandelt.«
Archer verließ die Hollywoodschaukel und kniete vor ihrem Schaukelstuhl. Er nahm ihre Hände und blickte zu ihr hoch. Seine Augen strahlten mit der gleichen leuchtenden Tiefe, die sie gehabt hatten, als er ein Baby war. Als er älter wurde, hatten ihn diese Augen in Schwierigkeiten gebracht. Durch sie war er den anderen Kindern verdächtig und Erwachsene fühlten sich unwohl in seiner Gegenwart. Diese Augen und die Tatsache, dass er ein McFall war, hatten dafür gesorgt, dass er der Verfolgung ausgesetzt gewesen war. Oft war er mit einem blauen Auge, einem aufgeschürften Knie oder mit vom Weinen zitternden Schultern von der Schule nach Hause gekommen.
Alles was sie ihm damals sagen konnte, war, dass das Lamm unter die Wölfe gehen musste. Er schien zu akzeptieren, dass er verfolgt wurde, dass der menschliche Hass Teil von Gottes großem Plan war. Er war selbst auf die Formulierung »Große Prüfungen werden kommen« gekommen. Welche Willenskraft musste es ihn gekostet haben, nicht um sich zu schlagen, wie viel Geduld und Verständnis hatte Archer nicht schon von einem frühen Alter an besessen. Natürlich hatte er immer gewusst, dass er der zweite Sohn war. Sie war in dieser Beziehung offen und ehrlich gewesen von dem Moment an, als er sprechen konnte.
»Du hast alles perfekt gemacht«, sagte Archer. »Gott sollte stolz auf dich sein.«
»Nun, da bin ich mir nicht so sicher. Wenn ich ganz so perfekt wäre, wäre ich vielleicht schon nicht mehr hier.«
»Warum erlaubst du mir nicht, dass ich dir eines von diesen Chalets in Ski Village kaufe?«
Mama Bet blickte die Narbe an, die Wellborn Mountain zierte. Die Stahlkabel des Lifts zogen bogenförmig an dem kargen Abhang entlang. Der Schnee war schon vor Wochen geschmolzen und hatte nur ein schlammiges Stück Land zurückgelassen. Sie verabscheute diese Ski-Menschen. »Nein. Die Menschen sollten unter Ihresgleichen bleiben. Außerdem denke ich, dass Gott einen Grund hatte, uns hierhin zu stecken.«
Und dieser Grund KÖNNTE etwas mit dem kleinen Höllenloch am Ende des Erdkellers zu tun haben, dasjenige, das ich mit Gebeten zugestopft halte. Aber ich werde DICH nicht damit belasten.
Etwas piepste in Archers Jacke. Mama Bet blickte ihn misstrauisch an.
Er lächelte. »Mein Mobiltelefon. Du solltest mir erlauben, dir eines zu besorgen, Mutter.«
»Das ist ein Werkzeug des Teufels«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Ich traue nicht einmal den Worten, die über Kabel kommen. Wenn es unsichtbar ist, kann man überhaupt nicht wissen, wo die Botschaften herkommen.«
Archer zog sein Handy aus seiner Jackentasche und klappte es auf. Er hob es an seinen Kopf. »Archer McFall.«
Er lauschte für einen Augenblick, dann legte
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