Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
stand noch da, wo er ihn letzte Nacht geparkt hatte, aber das war seine letzte Erinnerung. War er in der Kirche gewesen?
Grabsteine standen um ihn herum, Marmor und Granit glänzten hell in der Sonne. Er kannte diesen Bereich des Friedhofs. Er hatte unzählige Male Blumen hierher gebracht. Er drehte sich um und blickte den Grabstein an, auf dem sein Kopf geruht hatte.
Ein kleines Lamm war in die Mitte des Steins eingemeißelt. Die eingravierten Buchstaben unter dem Bild stachen in sein Herz, genau so, wie sie es schon immer getan hatten:
HIER RUHT
SAMUEL RILEY LITTLEFIELD
1968-1979
Möge Gott ihn schützen und bewahren
Möge Gott ihn schützen. Weil Frank Littlefield das sicher nicht getan hatte. Frank hatte sozusagen Samuels Sarg mit seiner Dummheit und Gleichgültigkeit zugenagelt. Ein großer Bruder sollte seines kleinen Bruders Hüter sein.
Der Traum.
»Sehen Sie«, sagte Storie und unterbrach Littlefields Tagtraum. Sie deutete auf eine Spur aus niedergedrücktem Gras, die aus dem Wald zu ihnen führte.
»Etwas hat mich hierher gezogen.«
»Etwas?«
Klar. Der gehängte Prediger, das Glockenmonster, die Zahnfee. Vielleicht sogar Frankensteins Braut. Du hast die Wahl. Sie wird dir auf jeden Fall glauben, oder?
»Ihr Hemd ist schmutzig auf Ihrem Rücken«, sagte sie. »Und Ihr Kragen ist zerrissen. Sie sehen aus, als ob Sie die Nacht durchgesoffen hätten.«
»Danke. So fühle ich mich auch.«
»Muss ein höllischer Gottesdienst gewesen sein. Was war, hat man Ihnen vom Wein nachgeschenkt, bis Sie unter die Kirchbank gefallen sind?«
Das Abendmahl. Unbestimmte Bilder flossen durch seinen Kopf, Bilder davon, wie er etwas aus Archer McFalls Fingern in den Mund nahm. Er schluckte und tastete mit einer geschwollenen Zunge in seinem Mund herum. Er wollte ausspucken, konnte aber nicht genügend Speichel ansammeln.
Die rote Kirche stand stumm oben auf dem Hügel. Der Glockenstuhl war voller dunkler Schatten. Er beobachtete sie für einen Moment, aber die Schatten bewegten sich nicht. Mit seinen Fingern tastete er den zerfetzten Stoff seines Hemdkragens ab. Was auch immer dafür verantwortlich war, hatte Zentimeter vor seinem Hals inne gehalten. Er war verschont worden, aber warum?
Er war sich nicht sicher, ob er das wirklich wissen wollte.
»Guck mal«, sagte Tim. »Da sind der Sheriff und die Polizistin. Auf dem Friedhof.«
Ronnie blickte an seinem Dad vorbei zu den beiden Polizeibeamten. Der Sheriff saß vor einem Grabstein, sein Haar war völlig zerzaust. Die Frau winkte ihnen zu. Er wollte zurückwinken, aber dann erinnerte er sich daran, was sein Dad gesagt hatte.
Dad blickte zum Friedhof hinüber, dann wieder auf die Schotterstraße. Er hielt mit den Händen krampfhaft das Lenkrad gepackt. Ronnie wusste, dass sein Vater nicht gestört werden wollte, wenn er den Kiefer so sehr zusammenpresste, dass seine Haut faltig wurde.
»Sollten wir ihnen nicht von der toten Person letzte Nacht erzählen? Und dem Monster?«
David blickte in den Rückspiegel und brachte Tim mit seinem Blick zum Schweigen. »Über diese Dinge spricht man am besten gar nicht.«
»Weil der Sheriff mit Mom in der Kirche war? Ist er einer von den Bösen?« Tim wusste nicht, wann er die Klappe halten sollte.
»Darum wird sich Gott kümmern«, sagte Dad. »Unsere Aufgabe ist, auf unseren eigenen Weg zu achten.«
Sie fuhren um die Kurve und hatten die Kirche hinter sich gelassen. Unterhalb der Straße unternahm der Fluss einen Wettlauf mit ihnen, bei dem er deutlich unterlegen war. Er führte wenig Wasser, weil es seit Wochen nicht geregnet hatte. Ronnie suchte nach Stellen, an denen man gut schwimmen konnte. Hauptsache, er konnte verhindern, an du-weißt-schon-was zu denken.
»Warum müssen wir in die Schule, Dad?« Das Getriebe von Tims Mundwerk konnte nicht lange stillstehen.
»Weil es das Beste ist, alles so normal wie möglich zu halten.«
»Und dürfen wir deshalb niemandem sagen, was passiert ist?«
»Ja. Ihr beide geht zur Schule und ich geh arbeiten.«
»Was ist mit Mom?«
Ups , dachte Ronnie. Was für eine Nassbirne.
»Deiner Mutter geht’s gut«, sagte Dad. »Sie hat sich nur in eine blöde Sache verrannt. Das passiert jedem ab und zu mal. Und jetzt lasst uns über was Anderes reden.«
Ronnie blickte aus dem Fenster. Es machte ihm nichts aus, in die Schule zu gehen, auch wenn seine Nase noch ein bisschen wehtat. Die Schwellung war zurückgegangen und das einzige Problem war, dass die Tamponade in
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