Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
Carolina nach Tennessee überschwappte. Zweihundert Morgen Land, das den Greggs gehörte, jeder Zentimeter davon steinig und fleckig, jede Esche und Birke und Pappel an ihre Haut geheftet, jeder Liter Bachwasser wie Blut durch ihre Venen fließend. Sie gehörte einer alteingesessenen Familie an und die alten Familien gehörten den McFalls.
»Es sind nur Briefe«, sagte sie. »Das bedeutet nicht, dass ich mich wieder anschließe.«
»Warum musstest du dich damals überhaupt darauf einlassen?«
»Das war vor mehr als zwanzig Jahren. Damals war ich ein anderer Mensch. Wir waren andere Menschen.«
»Nein, du warst anders. Ich bin noch derselbe. Ein einfacher Tölpel aus den Bergen, der denkt, dass einen niemand unterkriegen kann, wenn man seine Gebete sagt und rechtens lebt. Aber ich schätze, ich habe mich geirrt.«
»Du willst mir das doch nicht immer noch vorhalten, oder?« Seine Augen beantworteten ihre Frage, indem sie kalt und schmal wurden. »Weißt du nicht, wie furchtbar für mich die Vorstellung war, für immer hier in Whispering Pines gefangen zu sein? Hier bleiben und sieben Kinder kriegen und nichts in Aussicht außer der nächsten Anbausaison? Wie meine Mutter werden, mit ihren Fingern, die von all dem Einmachen so knorrig aussahen wie Erbsenhülsen? Was für eine Art von Leben ist das ?«
»Eines, das für mich gut genug ist. Ich musste nicht nach Kalifornien abhauen.«
»Ich hab dich bestimmt ein Dutzend Mal gebeten, mitzukommen.«
»Und ich habe dich mehr als ein Dutzend Mal gebeten, hier zu bleiben.«
»Du hattest nur Angst, mich zu verlieren.«
Er ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn langsam. »Ich schätze, das stimmt«, sagte er kaum lauter als ein Flüstern. »Nur hat es bis jetzt gedauert, bis ich es erkannt habe.«
»Die Jungs werden bald nach Hause kommen«, sagte sie. »Ronnie hat sich darauf gefreut, dich zu sehen.«
Er hielt die Briefe wieder in die Höhe. »Du wirst sie nicht mit in diese Sache hineinziehen, oder? Denn, wenn du das tust, dann–«
Die Drohung hing in der Luft wie eine Axt.
»Archer ist nicht so.« Linda sagte es so, als ob sie selbst ihre Worte nur zur Hälfte glaubte.
»Du hast gesagt, dass sich die Gruppe aufgelöst hat.«
»Ich ... die meisten von uns sind gegangen. Ich weiß nicht. Als sie gesagt haben, dass er tot ist, bin ich–«
»Er ist tot. Nun, die Frage ist, wer versucht, das hier zurückzubringen?« David hielt einen der Briefe in die Höhe, in erster Linie für den Effekt. Denn Linda wusste nur zu gut, was auf dem Papier zu sehen war.
Sie konnte das Symbol von der anderen Seite des Raums aus erkennen, obwohl es in die rechte obere Ecke gedrängt war. Es sah aus wie eines dieser ägyptischen Symbole, nur dass das Kreuz mit zwei Schleifen gekrönt war. Zwei Sonnen. Der Tempel der Zwei Sonnen.
Nicht, dass sie es zu sehen brauchte, denn sie war sich sicher, dass es in ihr Gehirn eingebrannt war, dass seine Kraft sie über Jahre und dreitausend Meilen hinweg und durch die dicken weißen Wände ihres wiedergewonnenen Glaubens an Jesus erreicht hatte. Denn, letztendlich gab es nur einen wahren Erlöser. Und sein Name war Archer McFall.
Wenn David nur sein Herz öffnen würde. Gut, er stammte von Baptisten ab, er war in den Fluss unterhalb der roten Kirche getaucht worden, damit seine Sünden fortgespült wurden, er hatte seine zehn Prozent gegeben, aber der Glaube bestand aus so viel mehr als aus Ritualen, der Heiligen Schrift und Gebeten. Ihr eigenes Herz war wieder dabei anzuschwellen, zu erblühen, sich zu entfalten wie eine Blume unter der strahlenden Sonne. Nein, unter zwei Sonnen. Zweimal so viel Liebe. Wenn sie das nur mit David teilen könnte. Aber er konnte es nicht verstehen. Er war genauso durch Jesus geblendet wie all die anderen.
David beobachtete sie, während er auf ihre Reaktion wartete. Sie unterdrückte ihr Lächeln, ihr Gesicht entspannte sich.
»Der Tempel«, sagte er mit einem höhnischen Grinsen. »Du hast versprochen, dass du darüber hinweg bist. Aber vermutlich bin ich ein Idiot.«
»Er bittet nicht um Geld.«
David lachte verbittert. Er rieb seine Stirn mit der rechten Hand. »Wahrscheinlich das Einzige, worum er nicht bittet. Wer auch immer dahinter steckt.«
»Da du die Briefe gelesen hast, weißt du ja genau, was er will.«
»Ja.« Er hielt einen der Briefe hoch. »›Wir haben dich vermisst, Schwester‹«, las er.
»Und das ist alles.«
»›Große Prüfungen werden kommen, aber wir baden im Licht des
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